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01.02.2023

Arbeitskräfte aus der Türkei - ein Gewinn für Ihr Unternehmen

Rechtsanwältin Dr. Yerlikaya-Manzel und der Leiter des BVMW Türkei-Büros Wanja unterstützen den deutschen Mittelstand bei der Suche und Rekrutierung türkischer Fachkräfte.

BVMW: Frau Dr. Yerlikaya-Manzel, gemeinsam mit Herrn Wanja, BVMW Türkei-Repräsentant, unterstützen Sie deutsche Unternehmen bei der Suche und Rekrutierung von Arbeitskräften aus der Türkei. Welche Gründe sprechen für die Türkei, wenn es um die Anwerbung der Arbeitskräfte geht?

Dr. Hayriye Yerlikaya-Manzel: Aufgrund ihrer jungen Population verfügt die Türkei über eine große Anzahl gut ausgebildeter junger Fachkräfte in nahezu allen Wirtschafts- und Industriebereichen. In den letzten Jahren sind viele Universitäten und qualitativ hochwertige Berufshochschulen entstanden, die einen großen Zulauf verzeichnen.

Die Fachkräfte aus der Türkei verfügen daher über solide akademische oder berufliche Ausbildungen und sind fast immer der englischen Sprache mächtig. Aufgrund der starken Verbindungen der beiden Länder zueinander ist auch die deutsche Sprache bei jungen Leuten sehr beliebt. Hierbei muss man sich gerade auch vor Augen führen, dass der Altersdurchschnitt in der Türkei bei 31,3 Jahren liegt – in Deutschland dagegen bei 44, 7 Jahren. Junge Menschen sind für das Erlernen von Fremdsprachen und berufliche Auslandserfahrungen offen, was unserem Projekt sehr zugutekommt.

Hinzu kommt, dass die aktuelle Wirtschaftslage in der Türkei viele junge Menschen dazu bewegt, ihre Zukunft in europäischen Ländern, hier vorzugsweise in Deutschland zu gestalten. Die politische Situation, im Sommer 2023 stehen wichtige Wahlen an, spielt dabei sicherlich auch eine Rolle.

Aufgrund langjähriger Verflechtungen zwischen Deutschland und der Türkei kann für die einwandernden Fachkräfte durchweg eine positive Integrationsprognose erstellt werden. Nicht nur, dass sie hier auf viele heimische Angebote treffen (z.B. Restaurants, Lebensmittel, Kunst, Kultur), die neu einwandernden Menschen aus der Türkei sind darüber hinaus bestens untereinander vernetzt. Eigene Gruppen in den sozialen Medien ermöglichen es ihnen, sich in Bezug auf alle möglichen Fragen der Migration (behördliche Vorgänge, Wohnungssuche u.v.m.) auszutauschen.

Es handelt sich hier um eine große, zweite Einwanderungswelle aus der Türkei, die in den letzten zwei, drei Jahren zu verzeichnen ist. Nur, dass diesmal sehr westlich orientierte, gut ausgebildete, junge Menschen kommen, die hoch motiviert und dankbar für eine langfristige berufliche Perspektive in Deutschland ihren Platz in unserer Gesellschaft einnehmen.

BVMW: Herr Wanja, wann wurde das Deutsch-Türkische Fachkräfteprojekt initiiert und welche Vorteile entstehen dadurch für die Mitglieder des BVMW?

Wolfgang Wanja: Alles fing damit an, dass ich Herrn Dr. Manzel und Frau Dr. Yerlikaya-Manzel bei einem vom BVMW veranstalteten Botschafter-Frühstück mit dem ehemaligen türkischen Botschafter kennenlernte. Einige Wochen später traf ich Herrn Dr. Manzel gelegentlich seiner Istanbul-Reise in Istanbul. Er erzählte mir von seiner Idee, ein Fachkräfte-Projekt mit der Kultur Universität Istanbul zu starten. Ich brachte die Idee der Einbeziehung der Deutschen Management Akademie Niedersachsen mit ein und wir entwickelten gemeinsam ein Projekt, das sowohl von unserer langjährigen Erfahrung in der Personalberatung als auch von der Kompetenz der Anwaltskanzlei auf dem Migrationsrecht profitiert.

Unsere BVMW-Mitglieder haben den Vorteil, dass sie den direkten Zugang zu den Fachkräften in den Herkunftsländern durch uns gewährt bekommen. Hier konnten bislang nur die großen Unternehmen Deutschlands rekrutieren. Wir sind sozusagen ihr verlängerter Arm vor Ort, wenn wir uns die Kandidat:innen persönlich ansehen und auf ihre Geeignetheit hin überprüfen. In den 20 Jahren unserer Unternehmenstätigkeit ist unser Blick hier sehr geschult. Daneben profitieren unsere Mitglieder von etwas günstigeren Konditionen hinsichtlich der entstehenden Kosten und erhalten eine individuelle Betreuung.

BVMW: Wie läuft der Rekrutierungsprozess ab? Wurden den Kandidaten die Sprach-oder Intergrationskurse angeboten? Mit welchen Partnern vor Ort arbeiten Sie zusammen?

Dr. Hayriye Yerlikaya-Manzel: Im Januar 2022 haben die Istanbuler Kultur Universität, ein in Deutschland anerkannter Bildungsträger, und die Deutsche Management Akademie einen Vertrag zur Kooperation im Bereich der Fachkräftegewinnung geschlossen. Bei der Vertragsunterzeichnung waren Ministerpräsident Stefan Weil und der türkische Botschafter Ahmet Basar Sen zugegen, was diesem Ereignis natürlich eine gewisse Bedeutung verlieh. Da auch in der Türkei „Brain Drain“ durchaus ein Thema ist, war die Einbindung offizieller Stellen für uns besonders wichtig.

Der Rekrutierungsprozess läuft folgendermaßen ab:

Im Rahmen unseres Fachkräfteprojekts werden qualifizierten Fachkräften an der Kultur Universität Istanbul Vorbereitungskurse zum Arbeiten und Leben in Deutschland angeboten. Hier bekommen die Fachkräfte über einen Zeitraum von fünf Wochenenden einen Einblick in die Themen: Wirtschaftsstandort Deutschland, Organisationsstruktur und Geschichte des Landes, Aufenthaltsrecht, Arbeitsrecht, Karriereplanung, Interkulturelle Kommunikation. Die Kurse werden von professionellen Referent:innen erteilt und sind als eine Art vorgezogene Integrationskurse zu verstehen.

Weiter werden an der Deutsche Management Akademie Niedersachsen in Celle einwöchige Seminare angeboten, die branchenspezifische Einblicke in verschiedene Berufszweige gewähren können. Die Kurse sind nicht in allen Fällen Pflicht, aber in der Regel doch sehr hilfreich, zumal die deutschen Unternehmen auch aktiv die Inhalte der Schulungen in Celle mitgestalten können.

Das Projekt ist von Anfang an so angelegt worden, dass sich Unternehmen mit ihrem Fachkräftebedarf direkt an uns wenden können und wir dann gezielt in der Türkei eine entsprechende Stellenausschreibung vornehmen. Zunächst werden die Gespräche mit den potentiellen Kandidat:innen vor Ort in der Türkei geführt, bevor man diese dann den deutschen Unternehmen vorstellt. Wir treffen also, gemeinsam mit Herrn Wanja, eine vor Auswahl. Denn nicht jeder, der ein schönes Diplom hat, ist auch für den deutschen Arbeitsmarkt geeignet. Die geeignete Kandidat:innen werden dann in die Vorbereitungskurse geschickt.

Parallel dazu können auch Deutschkurse bei verschiedenen Anbietern belegt werden; konkret sind wir in Gesprächen mit dem Goethe-Institut, um eine qualifizierte Sprachenschulung vermitteln zu können.

Auch die Migration ist in den meist Fällen kein Problem. Hier arbeiten wir mit der auf das Migrationsrecht spezialisierten Kanzlei „Dr. Yerlikaya-Manzel & Dr. Manzel“ zusammen, deren Partnerin ich bin und die ebenfalls Mitglied des BVMW ist. Und auch dies ist ein Vorteil der Türkei: Die Visumsverfahren, welche für Drittstaatsangehörigen zwingend sind, gehen über die Deutschen Auslandsvertretung in der Türkei ziemlich schnell. Die Migration aus der Türkei ist daher für deutsche Unternehmen sehr gut planbar.

Über das oben beschriebene Projekt hinaus ist es natürlich auch möglich, die Fachkräfte direkt über das Portfolio der GLS Personalberatung in Istanbul oder der elemanya GmbH zu rekrutieren - ohne Teilnahme an den vorbenannten Kursen. Die Fachkräfte werden dann von unserem Partner-Unternehmen vor Ort in Istanbul, der GLS Personalberatung, jeweils ganz genau ausgesucht und „unter die Lupe genommen“. Wir verlassen uns hier sehr auf die mehr als 20-jährige Expertise unseres Partnerunternehmens.

BVMW: Hat das Projekt den Fokus auf bestimmte Berufe?

Dr. Hayriye Yerlikaya-Manzel: Das Projekt hat keinen Fokus auf bestimmte Berufe. Die Türkei bietet jedoch eine sehr große Anzahl von hervorragend ausgebildeten Fachkräften in den Bereichen IT, Ingenieurswesen und dem Gebiet der „erneuerbare Energien“. Gerade im zuletzt genannten Bereich ist die Türkei schon weiter als Deutschland.

In diesen drei Bereichen findet man wirklich tolle Kandidatinnen, die gerne und – für den deutschen Arbeitgeber- zu durchaus günstigen Konditionen, nach Deutschland kommen möchten.

Wichtig ist uns hierbei, dass die unterbreiteten Angebote der Unternehmen auch aus Sicht der Fachkräfte angemessen lukrativ und realistisch sind. Die Fachkräfte sind sich ihrer Sondersituation aufgrund des enormen Mangels in Deutschland durchaus bewusst. Da überlegen sie sich sehr gut, ob sie ein Angebot in einer kleinen Gemeinde ohne nahe Anbindung an eine interessante Großstadt bei mäßiger Bezahlung und erwarteter sehr hoher Deutschkenntnisse entsprechen möchten oder liebe ein anderes Angebot bevorzugen. Es muss ihm immer für beide Seiten fair bleiben.

BVMW: Frau Dr. Yerlikaya-Manzel, Sie haben eine langjährige Erfahrung im Bereich des Wirtschaftsmigrationsrecht und sind auf die Anerkennung ausländischer Berufsschulabschlüsse spezialisiert. Auf welche gesetzlichen und bürokratischen Hürden stoßen die ausländischen Fachkräfte auf ihrem Weg nach Deutschland?

Dr. Hayriye Yerlikaya-Manzel: Türkische Hochschulabschlüsse sind in Deutschland in der Regel anerkannt und dies kann man leicht anhand der Datenbank der Kultusministerkonferenz, ANABIN, überprüfen. In diesen Fällen ist die Migration meist unproblematisch.

Bei Berufsschulen ist dies etwas anders und es muss, nach noch geltender Rechtslage, ein etwas aufwändigeres Anerkennungsverfahren in Deutschland betrieben werden. Anerkennungsverfahren ausländischer Berufsabschlüsse betreiben wir aber nur dann, wenn wir hier Erfolgschancen sehen.

Da deutsche Firmen eben nicht nur Hochschulabsolventinnen benötigen, sondern auch Techniker, Köche oder Handwerker, ist meine Expertise in diesem Bereich auch im Rahmen der Fachkräfte-Rekrutierung durchaus nützlich.

Da wir in unserem Projekt gleich auch eine Fachanwaltskanzlei im Migrationsrecht, nämlich die unsere, eingebunden haben, haben die uns beauftragenden Unternehmen den Vorteil, dass sie sich um die Frage der Einwanderung so gut wie keine Gedanken machen zu müssen. Wir prüfen gleich zu Anfang, ob der an uns herangetragene Fachkräftebedarf migrationsrechtlich überhaupt durchsetzbar ist und nehmen uns nur solcher Anfragen an, die hier Erfolg versprechen. Da mein Mann, Dr. Martin Manzel, als Fachanwalt im Migrationsrecht auch bei komplexen Fällen oft einen Ausweg weiß, ist die den Unternehmen mitgeteilte Ersteinschätzung hier durchaus verlässlich.

Denn was nützt einem die geeignetste Fachkraft, wenn sie nicht aus Ankara herauskommt?

Ihre Ansprechpartner:innen

Dr. Hayriye Yerlikaya-Manzel
Rechtsanwältin, Geschäftsführerin der elemanya Personal- und Unternehmensberatungs GmbH
E-Mail: yerlikaya@manzelyerlikaya.com

Dr. Martin Manzel
Fachanwalt für Migrationsrecht
Rechtsanwaltskanzlei „Dr. Yerlikaya-Manzel & Dr. Manzel“
E-Mail: manzel@manzelyerlikaya.com

Wolfgang Wanja
Türkei Repräsentant des BVMW
E-Mail: wolfgang.wanja@bvmw.de
Tel.: +90 212 4653314

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