von Sirko Rosenberg
Daniel Raja, Leiter des BVMW Indien-Büros, unterstützt deutsche Unternehmen bei der Suche und Rekrutierung indischer IT-Fachkräfte.
Deutschland steht vor bedeutenden Weichenstellungen für die zukünftige Entwicklung der Wirtschaft und auch der staatlichen Institutionen. Auf der einen Seite soll die Digitalisierung vorangetrieben werden, andererseits fehlen schon jetzt Fachkräfte in der IT-Branche, die maßgeblich die Digitalisierung auf allen Ebenen vorantreiben können und müssen.
Der BVMW hat mit dem Indien Repräsentanten Daniel Raja über die aktuelle Lage auf dem IT-Arbeitsmarkt und sein neues Projekt „Indische IT-Fachkräfte für den deutschen Mittelstand“ gesprochen.
BVMW: Zur Lösung des Problems ist Deutschland auf die Rekrutierung ausländischer Fachkräfte angewiesen. Die IT-Branche setzt große Hoffnung in Fachkräfte aus Indien, dass als aufstrebende IT-Nation gilt. Welche Gründe sprechen für Indien und die Anwerbung indischer Fachkräfte für den deutschen IT-Sektor?
Daniel Raja: Indien gilt schon seit vielen Jahren als die weltweit größte Talentschmiede für IT-Fachkräfte. In den USA z.B. gibt es insgesamt mehr als 4,4 Millionen Fachkräfte im IT-Bereich, von denen ein Viertel aus Indien stammt. Indische IT-Talente haben einen hohen Bildungsgrad, sind mit Englisch als Zweitsprache aufgewachsen und haben ein anerzogenes Problemlösungsverständnis (auch als Jugaad bekannt). Das sind beste Voraussetzungen, um nicht nur ein schnell integrierbarer Teil einer Workforce zu werden, sondern auch, um (disruptive) Innovationen zu entwickeln. Es ist daher kaum verwunderlich, dass Global Player wie Microsoft, Google oder Twitter mittlerweile sogar auf indische Führungskräfte setzen, um die Zukunft der Unternehmen zu gestalten.
Wenn wir in Deutschland bei der Digitalisierung nicht weiterhin im internationalen Vergleich auf den hinteren Plätzen rangieren wollen, dann müssen wir genau diese Qualitäten aus Indien nach Deutschland bringen.
BVMW: Mit welchen Projekten und Partnern kann der BVMW die Firmen unterstützen, die indische IT-Fachkräfte rekrutieren möchten?
Daniel Raja: Wir haben ein Drei-Säulen-Modell entwickelt, um den IT-Fachkräftebedarf mittels der indischen Workforce zu decken. Bei der ersten Säule handelt es sich um das klassische Outsourcing Modell. Gemeinsam mit unserem indischen IT-Partnerverband NASSCOM können wir ein gezieltes Matching zwischen einem deutschen und indischen Unternehmen arrangieren. Gemäß den Anforderungen des deutschen Unternehmens, ermittelt NASSCOM in seinem Mitgliederbestand ein qualifiziertes Partnerunternehmen. Das BVMW Indien Team unterstützt proaktiv bei den Gesprächen und hilft beiden Seiten die Kooperation erfolgreich umzusetzen.
Bei der zweiten Säule arbeiten wir mit mehreren Recruitment Firmen in Indien zusammen, um passende IT-Talente an deutsche Unternehmen zu vermitteln. Hierzu wurde eigens ein Recruitmentverfahren entwickelt, was neben der fachlichen Expertise auch die interkulturelle Kompetenz eines Kandidaten (Culture Fit) bewertet. Sobald ein Arbeitsvertrag zustande kommt, bereiten wir die Mitarbeiter interkulturell auf den neuen Arbeitsstandort in Deutschland vor und unterstützen sie in den ersten 6 Monaten bei der Integration beim neuen Arbeitgeber. Auch beim Einreiseprozess und dem damit verbundenen Visumsverfahren unterstützen wir den Kandidaten als auch den Arbeitgeber.
Bei der dritten Säule bieten wir die Möglichkeit Mitarbeiter remote über unsere Niederlassung oder durch eine geeignete Partnerfirma in Indien zu beschäftigen. Ähnlich wie beim zweiten Modell werden gemeinsam mit dem deutschen Unternehmen passende Mitarbeiter gesucht und ausgewählt. Diese werden dann aber vor Ort für den deutschen Auftraggeber/Arbeitgeber beschäftigt – der Arbeitsplatz, die Buchhaltung und der administrative Part wird von uns bzw. der Partnerfirma übernommen. Die Lösung hat den Vorteil, dass die Personalkosten um mehr als die Hälfte (im Vergleich zu einer Anstellung in Deutschland) gesenkt werden können.
BVMW: Welche Herausforderungen gibt es bei der Rekrutierung indischer Fachkräfte für den IT-Sektor in Deutschland? (Stichwort „Culture-Fit“)
Daniel Raja: Natürlich ist nicht jedes Talent aus Indien geeignet, um in Deutschland bzw. mit deutschen Unternehmen zu arbeiten. Die Kandidaten werden daher im Vorfeld von interkulturellen Beratern interviewt und auf deren „Culture Fit“ geprüft – d.h. wir stellen gezielte Fragen, um die interkulturelle Kompetenz hinsichtlich einer Re-lokalisierung nach Deutschland und die Vereinbarkeit mit der Unternehmenskultur des potenziellen Arbeitsgeber besser beurteilen zu können.
Unser Ziel ist es eine nachhaltige WIN-WIN Situation zu schaffen und dies kann nur gelingen, wenn kulturelle und professionelle Werte zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zueinander passen.
BVMW: Wie läuft die Rekrutierung der IT-Fachkräfte im Wesentlichen ab?
Daniel Raja: Grundlage für den Suchprozess ist die Stellenbeschreibung. Nachdem wir diese erhalten haben, übersetzen wir den Inhalt und integrieren die Schlagworte, welche für eine höchstmögliche Traktion auf den indischen Stellenportalen sorgen. Die angepasste Stellenbeschreibung wird dann an die Recruitmentfirmen in Indien weitergeleitet und der Suchprozess wird über verschiedene Kanäle initiiert. In einem mehrstufigen Verfahren werden Referenzen, Hochschul- und Abschlussanerkennung in Deutschland, sowie fachliche Kenntnisse der Kandidaten überprüft. Anschließend wird der „Culture Fit“ durch interkulturelle Berater ermittelt. Der Auftraggeber erhält nach acht Wochen eine Shortlist mit 5 bis 8 Topkandidaten, welche alle Kriterien erfüllen und für eine Anstellung in Deutschland bereitstehen. Jeder Suchprozess ist maßgeschneidert und wird, je nach Anforderungsprofil, von verschiedenen Experten begleitet.
BVMW: Welche Vorteile entstehen für die Mitglieder des BVMW?
Daniel Raja: Alle Partnerunternehmen und die beteiligten Experten gehen bei dem Suchprozess in Vorleistung – d.h. der Auftraggeber muss nur dann eine Provision zahlen, wenn ein Arbeitsvertrag geschlossen wird. Ist der Auftraggeber mit dem Suchergebnis nicht zufrieden, dann wiederholen wir den Suchprozess und stellen weitere Topkandidaten vor. Entsprechen auch diese nicht den Ansprüchen, dann kann der Auftraggeber ohne finanziellen Aufwand vom Vertrag zurücktreten. Sobald ein Arbeitsvertrag geschlossen worden ist, erhält der Kandidat eine interkulturelle Schulung und wird auf den Arbeitsantritt beim neuen Arbeitgeber vorbereitet. Teil des Pakets ist auch die Unterstützung beim Visumsverfahren und die Nachbetreuung nach Ankunft in Deutschland. Verlässt der rekrutierte Mitarbeiter das Unternehmen innerhalb der Probezeit, so sorgen wir kostenlos für eine adäquate Nachbesetzung.
Ihr Ansprechpartner