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Abdelbasset Ghanmi, General Director der Foreign Investment Promotion Agency (FIPA).
Im Interview spricht er über die Potenziale, die der tunesische Markt, insbesondere der Automobilsektor, mittelständischen Unternehmen bietet.
DER Mittelstand.: Mr. Ghanmi, welche Vorteile bietet der tunesische Markt für Mittelständler?
Abdelbasset Ghanmi: Mit einer sich verbessernden Infrastruktur, einer geopolitischen Positionierung im Herzen des Mittelmeerraums, die es dem Land ermöglicht, nahe an den großen europäischen Hauptstädten und Städten zu liegen und eines der Tore zu Afrika zu sein, und einem zollfreien Zugang für Industriegüter zur EU durch das Assoziierungsabkommen ist Tunesien mehr denn je ein intelligentes Ziel für deutsche KMU und bietet echte Chancen für den Zugang zu neuen Märkten und für eine bessere regionale Integration in Afrika.
Wie kann die FIPA Unternehmen unterstützen, die in Tunesien Fuß fassen möchten?
Die FIPA bietet Informationsdienste für Unternehmen, die eine Internationalisierung anstreben, und deckt dabei sowohl sektorspezifische Aspekte als auch horizontale Fragen ab, wie zum Beispiel Produktionskosten, sektorale Vorschriften, rechtliche und regulatorische Regelungen für Investitionen, Infrastruktur, Logistik und Arbeit. Investoren werden beim Eintritt in den Markt und während der Niederlassung des Betriebs, der Expansion und der Standortwahl unterstützt.
Warum ist der Automobilmarkt in Tunesien so attraktiv für KMU?
Die Automobilzulieferindustrie ist ein sehr entwickelter Sektor mit einem großen Potenzial. Tunesien ist der drittgrößte Automobilzulieferer in Afrika. Dem Land ist es gelungen, eine sehr gute lokale Zulieferindustrie aufzubauen, in der eine Reihe internationaler Unternehmen, insbesondere aus Deutschland, vertreten sind wie Kromberg & Schubert und Dräexlmaier. Tunesien ist extrem gut positioniert mit einer Industrie, die auf einem Exportmodell aufbaut (mehr als 65 Prozent der Fahrzeuge sind für Europa bestimmt), großzügigen Anreizen und einer Politik, die Investitionen unterstützt.
Auf welche Unterstützung können sich deutsche Automobilzulieferer in Tunesien einstellen?
Deutschland ist einer der wichtigsten Partner Tunesiens, vor allem in der Automobilbranche. Auf sie entfallen fast 284 Unternehmen, die über 77 000 Menschen beschäftigen. Die deutschen Automobilzulieferer bauen ihre Aktivitäten in Tunesien weiter aus, nicht nur im Bereich der Produktionsanlagen, sondern auch in den Bereichen Innovation und Engineering. Um sie zu unterstützen, hat Tunesien wichtige Reformen durchgeführt, die darauf abzielen, ein unternehmensfreundlicheres Umfeld zu schaffen und den Zugang zu Finanzmitteln zu erleichtern. Dazu gehören das neue Investitionsgesetz von 2016 und das „Horizontale Gesetz zur Verbesserung des Geschäftsklimas" von 2019. Zudem fördert Tunesien Privatinvestitionen und Digitalisierung.
Inwiefern wirkt sich der russische Angriffskrieg auf den Automobilmarkt Tunesiens aus?
Der Krieg in der Ukraine hat erhebliche Auswirkungen auf die Automobilindustrie und insbesondere auf die Produktion bestimmter unerlässlicher Komponenten. Als einer der bedeutendsten Hersteller von Automobilkomponenten in Afrika hat Tunesien den Automobilzulieferern, die ihre Aktivitäten in die Region verlagern wollen, sofort seine Unterstützung angeboten. In Zusammenarbeit mit dem tunesischen Automobilverband und dem Ministerium für Industrie, Bergbau und Energie wurde ein Krisenstab errichtet, der umfassende Unterstützungsmaßnahmen für die europäische Automobilindustrie anbietet. Tunesien steht derzeit auf dem Radar vieler internationaler Automobilzulieferer, die eine Diversifizierung ihrer Aktivitäten sowie die Verlagerung ihrer Produktion in die Region anstreben.
Die FIPA und die Mittelstandsallianz Afrika (MAA) des BVMW sind seit 2020 MOU-Partner. Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit?
FIPA-Tunesien arbeitet eng mit seinen deutschen Partnern zusammen, um die Zusammenarbeit zwischen den beiden Ländern zu stärken. In diesem Rahmen haben wir eine gute Partnerschaft mit der Mittelstandsallianz Afrika (MAA) des BVMW aufgebaut, um die Zusammenarbeit in vielen Bereichen weiterzuentwickeln und die Interessen der deutschen KMU, die nach Geschäfts- und Investitionsmöglichkeiten in Tunesien suchen, zu unterstützen. Wir glauben, dass es ein echtes Potenzial für unsere gemeinsamen Aktionen gibt. Wir unterstützen bereits die neu gegründete Taskforce Tunesien des BVMW, die darauf abzielt, die tunesisch-deutsche Zusammenarbeit in den Bereichen Automotive und E-Mobilität auszubauen.
Das Interview führte Hanna Hodel, BVMW Referentin Außenwirtschaft/Afrika.