Mittelstand fordert Politik zum Handeln auf – Bürokratie und Gebäudeenergiegesetz im Fokus
K. Kirchermeier
Handwerker und Unternehmer informieren sich über die Künstliche Intelligenz – Unverzichtbare Chancen stehen ungeregelten Risiken gegenüber
Das
Wort von der „Künstlichen Intelligenz“ (KI) macht seit einigen Jahren die
Runde, der Einsatz ist vor allem aus dem Wirtschaftskreislauf nicht mehr
wegzudenken. Zu groß sind die Auswirkungen auf Gewerbetreibende, Unternehmen
und ihre Angestellten. Aber auch für den Bürger, Kunden und Verbraucher ist die
KI mehr und mehr Teil des täglichen Lebens – und das oft ganz unbemerkt. Wird
doch das Sprachmodell ChatGPT (Generative Pre-trainend Transformer) – ganz
gleich ob das GPT-3 oder das neue, noch viel größere GPT-4 – genutzt um
natürliche Sprache zu erzeugen, die sich zum Beispiel in Form von vielen
Antwort-Emails wiederfindet. So dramatisch sind die Umwälzungen, dass sogar die
Gründer des ChatGPT-Sprachmodells OpenAI kürzlich warnten, eine sich
entwickelnde „Superintelligenz“ könnte zum Aussterben der Menschheit führen und
rief selbst nach Kontrollmechanismen.
Für das Handwerk und den Mittelstand stellt sich zunehmend die Frage, ob man
hier den Einstieg in den rasant fahrenden Zug nicht verpasst, in dem große
Unternehmen schon lange sitzen und ihre Prozesse unter Mithilfe der KI
optimieren. Grund genug, sich mehr mit den textbasierten Chatbots mit Basis auf
Künstlicher Intelligenz auseinanderzusetzen, was am Montag Abend rund 50
Unternehmer – darunter viele Handwerksvertreter - in dem offenen
Informationsabend im Bildungszentrum der Handwerkskammer in Traunstein taten.
Ein
„enorm wichtiges Thema für den Mittelstand.“ So benannte es Kornelia
Kirchermeier Repräsentantin für den Chiemgau und das Berchtesgadener Land des
Initiators der Veranstaltung, Der Mittelstand, BVMW e.V. zum Auftakt des
zweistündigen Vortrags- und Diskussionsabend den sie zusammen mit ihren
Rosenheimer Kollegen ausrichtete. Die Künstliche Intelligenz ist in vielen
Firmen und Wirtschaftsbereichen nicht mehr wegzudenken.
Franz Ertl, Leiter des Bildungszentrums der Handwerkskammer betonte als Hausherr der Veranstaltung die positiven Erfahrungen, die er mit ChatGPT im praktischen Arbeitsleben gemacht habe. „Besser geht es nicht. ChatGPT ist richtig gut!“. Er machte deutlich, dass sich die Verwendung der Künstlichen Intelligenz auch im Handwerk stark ausbreite und kommen werde.
Dominik
Hofmann von der Deutschen Telekom in Rosenheim ging auf den Trend zu mehr
Digitalisierung ein und betonte die Priorität, die sein Arbeitgeber der KI
beimesse: „Die Telekom beteiligt sich in allen Bereichen was die
Digitalisierung angeht.“ ChatGPT sei ein wichtiger Bestandteil dabei. Er
betonte, dass es in den vergangenen Jahren sehr viel kritischen Stimmen zur
künstlichen Intelligenz gegeben habe, auch was das Risiko von massenhaften
Arbeitsplatzvernichtungen angehe. Dies sehe er als gering an: „Es wird keine
Jobs gefährden.“
Professor
Dr. Alexander Lutz, Hochschullehrer der Wirtschaftsinformatik an der FOM
Hochschule für Ökonomie und Management in München machte als Hauptredner der
Handwerker- und Unternehmerveranstaltung gleich ein kleines Experiment mit den
rund 50 Anwesenden. „Die Maschine hat euch einfach ein bisschen manipuliert“
zeigte er schon im ersten Ansatz Chancen und Risiken der Künstlichen
Intelligenz auf. „Die natürliche Intelligenz schlägt die Künstliche in manchen
Fällen schon noch“ schränkte er gleich ein und fügte warnend hinzu: „Manchmal
phantasiert ChatGPT auch noch etwas hinzu.“
Er zeigte Zusammenfassungen von Texten und Videos auf. Auch die Möglichkeit,
sich Dinge beibringen zu lassen („Zeige mir Gitarrenchorde“) oder
professionelle und auf die Person optimierte Gesundheitspläne von „Doktor GPT“
schreiben zu lassen, seien für das Technikwunder eine Kleinigkeit. Dabei
erörterte er auch die Weiterentwicklungen von den Versionen Chat GPT-3.5 und
die noch präzisere Version 4.0, die mit 100 Billionen Parametern trainiert
wurde und in vielen Bereichen eine effektive Unterstützung ist. Wie
beispielsweise das KI-Klon des eigenen Schreibstils, das diesen analysiert und
optimiert, beziehungsweise sofort in verwendbare Texte umwandelt.
Die Anwesenden wurden von dem KI-Experten Lutz dann in die Welt der Kriminalfälle geführt. So sei Mitte Oktober in Ludwigsburg der über eine Tonne schwere „Rekordkürbis“ gestohlen worden. Der Professor für Wirtschaftsinformatik machte am Ende der virtuellen Verbrecherjagd deutlich, dass mit ChatGPT ab einem gewissen Zeitpunkt alle relevanten Daten, Bilder und Spuren manipuliert beziehungsweise am Computer generiert wurden und das aufzuklärende Verbrechen de facto nur Fiktion war.
Er führte aus, das ChatGPT beziehungsweise die Künstliche Intelligenz gemäß einer amerikanischen Studie insbesondere Buchhalter, Mathematiker und Schriftsteller ersetzen können. Den Arbeitsplatz als Gerichtsschreiber sehe er als gefährdet an, Köche, Friseure und Mechaniker könnten hingegen schwer ersetzt werden.
Der promovierte Biologe ging auf die Grundsatzfrage „Chance oder Gefahr“ ein und machte deutlich: „Wo Licht ist, da ist auch Schatten!“. Bildlich zeigte er auf, dass Risiken zunähmen. Wie beispielsweise der „Enkeltrick“ in der die durch die für den kriminellen Zweck missbrauchte eigene Stimme gerade ältere Familienmitglieder so verunsichern könne, dass der Trick leichter gelingen könne. Auch auf die Gefahr geheime Firmendaten über ChatGPT zu bearbeiten wies er hin. Dies berge enorme Risiken mit sich.
In
der Diskussion tauchten Fragen wie beispielsweise die nach der Verwendung von
KI-generierten Texten und Bildern auf. Hier machte er deutlich, dass bei den
Plagiaten kaum Urheberrechte einklagbar seien. Er zeigte ein Beispiel wo
menschliche Gesichter aus 10.000enden von Gesichtsteilen generiert würden.
Damit sei auch die Frage nach Urheberrechten kaum lösbar. Über die
Internetseite „this-person-doesnt-exist.com“ („Diese Person existiert nicht“)
könne man Gesichtsbilder von nicht existierenden Personen sehen.
Technisch brauche man für die Nutzung der KI einen gut ausgestatteten Server beziehungsweise eine entsprechende Cloud. Dennoch seien die Kosten für die Hardware mit mehreren Tausend Euro im noch überschaubaren Bereich. Er riet den anwesenden Unternehmern mit kleineren Pilotprojekten in unkritischen Projekten zu starten um sich mehr mit dem Thema Künstliche Intelligenz vertraut zu machen. Und natürlich brauche es auch einen Verantwortlichen im Unternehmen, den „Chief Digital Officer“, den man benennen solle.
Abschließend betonte er in einem positiven Statement zur KI: „Es geht nicht darum die Menschen zu ersetzen!“. Menschen sollten nach der Korrektur und Prüfung des KI-unterstützten Ergebnisprozesses ihre Zeit und Schaffenskraft für produktive Themen und Aufgaben einsetzen.
Dass
die Thematik langsam und mit Vorsicht im Handwerk und in mittelständischen
Betrieben ankommt, machten auch einzelne Unternehmensvertreter deutlich. So zum
Beispiel Tanja Huber von der Firma Stöckl Bau aus Tittmoning die betonte, dass
man das Sprachmodell im Bereich von Emails und um Texte zu generieren einsetze.
Man sammle derzeit damit Erfahrungen.
Diana Hunker vom Malerbetrieb Alexander
Hunker in Truchtlaching betonte, dass man ChatGPT bisher nicht nutze, das
Interesse dazu sei aber da. Deshalb sei sie auch zu der Veranstaltung gekommen.
Sie sehe den Einsatz für ihren Betrieb in erster Linie im Bereich der
Unterstützung des Schriftverkehrs oder für Werbezwecke, sorge sich aber
gleichzeitig um den Datenschutz. Robert Sax vom Sax Maschinenputz in Ainring
machte deutlich, dass er im geschäftlichen Bereich keine Erfahrung habe, das
Programm aber im privaten Bereich ausprobiert habe.
Wie viele der Anwesenden stelle er sich die Frage: Was kann ich im Geschäftsbetrieb sinnvoll umsetzen?“