Wir begrüßen unser Neu-Mitglied House of Natural Taste aus Übersee, das Aperitifs regional in Bayern herstellt.
K. Kirchermeier
Mittelstand fordert Politik zum Handeln auf – Bürokratie und Gebäudeenergiegesetz im Fokus
Es ist die Zeit der großen Wahlversprechen vor dem 8. Oktober, der Landtags- und Bezirkstagswahlen in Bayern. Aber auch die Zeit, in der sich Bürger, Firmen- und Organisationsvertreter ein Bild machen können, welcher Kandidat am ehesten seinen persönlichen Vorstellungen nahekommt.
Was der Mittelstand und hier insbesondere das Handwerk von den unterschiedlichen Wahlprogrammen und Kandidaten zu erwarten hat wurde am Donnerstag Abend deutlich. Waren die Unterschiede und Schwerpunkte doch bei dem vom BVMW (Der Mittelstand. BVMW e.V.), einem Netzwerk für mittelständische Unternehmen, initiierten Landtagswahl-Talk und der Kandidatenvorstellung im Sailer Keller in Traunstein mehr als offensichtlich, was aber nicht nur an den politischen Programmen der Parteien hängt, sondern auch mit dem persönlichen Werdegang der jeweiligen Kandidaten zu tun hat. Kritik mussten dabei insbesondere auch die Vertreter der drei Parteien der Berliner Ampel (SPD, Bündnis 90/ die Grünen, FDP) auf Bundesebene hinnehmen, wobei es auch für die in Bayern regierenden Parteien (CSU, FW) kritische Töne gab. Einer der umfassend diskutierten Kritikpunkte: Die überbordende Bürokratie, gegen die sich alle Diskussionsteilnehmer aussprachen und dennoch überwiegend wenig Hoffnung verbreiteten, dass sich künftig daran Gravierendes ändern wird.
Eingeladen und teilgenommen haben die Direktkandidaten Konrad Baur (CSU), MdL Gisela Sengl (Grüne) und Dr. Walter Buggisch (FDP), sowie Direkt- und Listenkandidat Sepp Parzinger (SPD) und in Vertretung des FW-Kandidaten der 1. Vorsitzende der Kreisvereinigung Traunstein der Freien Wähler, Dr. Lothar Seissiger. Von Seiten der ebenfalls eingeladenen AFD gab es nach Angaben der Veranstalter keinerlei Reaktionen auf die Anfrage beziehungsweise auf die Einladung.
Kornelia Kirchermeier, Selbständige Repräsentantin des Veranstalters BVMW wies einleitend darauf hin, dass die Landtagswahl in Bayern von hoher zukünftiger Bedeutung sei. "Der Mittelstand ist das Rückgrat unserer Wirtschaft". Politiker seien dafür verantwortlich die richtigen Rahmenbedingungen zu schaffen. Ihre erste Forderung war in dem Auftakt gleich eines der zentralen Themen des Abends: Der Abbau bürokratischer Hürden.
Moderator Dr. Nils Heisterhagen vom BVMW sagte einleitend zur Diskussion: "Die Problemliste ist ziemlich lang. Sie ist so lange wie noch nie!" Themen wie ausufernde Energiekosten, Bürokratie, Fachkräftemangel und das Abrutschen der Wirtschaft in die Rezession seien Schlagworte, die für den Mittelstand – damit aber auch für die Bürger – mit einem zunehmenden Schreckensszenario verbunden seien. Und so arbeiteten sich die Podiumsteilnehmer an den an sie gestellten Fragen ab, nicht ohne die eine oder andere Spitze den Mitbewerber oder seine Partei betreffend zu setzen.
Und während Sengl ihr „es muss schneller gehandelt werden“ mit einer ihrer Überzeugung nach verschleppten Genehmigungspolitik im Freistaat in Sachen Leitungsverlegung für Windkraft aus dem Norden untermauerte, wehrte sich Baur, dass der Freistaat für vom Bund zurückgeforderte Coronahilfen einspringen solle und mahnte mit Blick auf Hau-Ruck-Entscheidungen gerade aus dem Bundeswirtschaftsministerium Verlässlichkeit in politischen Entscheidungen an. Mit Blick auf den hohen Stromverbrauch der Industrie – exemplarisch stand hier das bayerische Chemiedreieck mit einem bundesweiten Anteil von zwei Prozent am gesamten Stromverbrauch als Beispiel in der Diskussion – betonte er, dass man bei der klaren Präferenz auf erneuerbare Energien sehen müsse was Planungssicherheit für die Beteiligten mit sich bringe.
Buggisch, Leitender Polizeidirektor im Polizeipräsidium Oberbayern Süd, stellte mit „seinem Thema“ die guten Zahlen zum Thema „Innerer Sicherheit“ heraus und betonte, wie sicher man in Bayern – gerade auch im Vergleich zu anderen Bundesländern – leben könne. Verwaltungen müssten effektiver arbeiten, so Buggisch der sehr offen und ehrlich kommunizierte wenn er in einem Thema jetzt weniger Expertise habe und sich auf das Parteiprogramm zurück ziehe.
Dass das Thema „Bürokratieabbau“ auch bei Parzinger und den Sozialdemokraten ein „erkanntes Thema“ ist, betonte der DGB-Gewerkschaftssekretär: „Jeder ist dafür. Aber jetzt ist es Zeit es zu machen!“. Unter anderem mit Blick auf das Chemiedreieck warnte er vor einem massiven Arbeitsplatzabbau. Seissiger, der seine Forderung nach einem Bürokratieabbau auch mit einem Abbau der Beschäftigungszahlen in den Ministerien verband, sah daneben auch darin ein Grundübel in der Bevölkerung, dass die Menschen immer weniger arbeiten wollten. Es gäbe dazu große Defizite über den Stellenwert der Handwerksbetriebe in der Gesellschaft. „Das Handwerk verdient mehr Wertschätzung.“
Dass den Handwerksvertretern aber dazu eine Reihe von Themen unter den Nägeln brennen, die sie an dem Abend „an den Mann“ bringen wollten, wurde mit zunehmender „Politiker-Diskussion“ deutlich. Und so war es Josef Pflügl, Betriebsinhaber aus dem Heizungs- und Sanitärbereich in Gars am Inn und im Ehrenamt Obermeister der SHK-Innung Traunstein, der kurzerhand die Themen setzte: „Das EEG (Erneuerbare-Energien-Gesetz) ist das größte Bürokratiemonster. Das wird kleine Handwerksbetriebe aufarbeiten!“. Schreinermeister Georg Braun aus Piding, im Ehrenamt in der Schreiner-Innung Berchtesgadener Land tätig, machte deutlich, dass das Handwerk und der Mittelstand einen Großteil der heimischen Arbeitsplätze stelle. „Es ist Aufgabe der Politik, dass in der Wertschöpfungskette hier etwas hängen bleibt.“
Metallbaumeister Franz Pfeffer aus Freilassing und Ehrenobermeister der Metall-Innung Traunstein-Berchtesgadener Land, lenkte mit Blick auf die mögliche Wasserkraft den Bogen zu Möglichkeiten für heimische, nachhaltige Energieträger auf die Salzach, schränkte aber mit einer Portion Ironie gleich ein: Diese würde wohl nur auf österreichischer Seite funktionieren, nicht aber auf der bayerischen Seite.
Friseurmeister Bernhard Mühlbacher aus Waging, im Vorstand der Friseur-Innung Traunstein-Berchtesgadener Land, schilderte die Probleme für die Betriebe Nachwuchskräfte zu finden und monierte die Rückzahlungsforderungen des Bundes für ausgezahlte Corona-Soforthilfen.
Schreinermeister Andreas Weinzierl aus Traunstein, ehrenamtlich als Obermeister der Schreiner-Innung Traunstein tätig, wies darauf hin, dass es in der Corona-Zeit viel Solidarität unter den Handwerks-Innungen für die Friseure gab. Hatten doch die weiteren Innungen die Innungsbeiträge für die Friseure solidarisch übernommen, um diese finanziell zu entlasten (wir berichteten).
Maurermeister Bernhard Fuchs aus Teisendorf, ehrenamtlicher Vorstand der Bau-Innung Traunstein-Berchtesgadener Land, lies seinem Unverständnis über bundespolitische Entscheidungen freien Lauf: „Von Seiten der Regierung wird viel Unsicherheit verbreitet.“ Er sprach von einem „Wirrwarr im Heizungsgesetz.“ Er forderte sichere Rahmenbedingungen und betonte, dass bürokratische Hemmnisse für die Baubranche „ein riesen Thema“ seien. Lob gab es für die Stadt Traunstein und den Landkreis Traunstein für die Möglichkeit Bauanträge digital zu stellen. Wie schon zuvor Grünen-Politikerin Sengl lobte er namentlich den Traunsteiner Landrat Siegfried Walch für die Umsetzung des Projektes.
Hans-Peter Kaindl aus Reit im Winkl, stellvertretender Obermeister in der Bau-Innung betonte sein Missfallen, dass der Holzbau gegenüber dem konventionellen Bau politisch bevorzugt würde und forderte seiner Überzeugung nach fehlende Neutralität der Politik.
Richtig kontrovers wurde es dann noch in der Diskussion um das Gebäudeenergiegesetz in der SHK-Profi Pflügl die Aussage der Grünen-Vertreterin Sengl („Holz ist drin“) energisch bestritt und mit markigen Worten von einer „Hinterfotzigkeit grüner Politik“ sprach (Anmerkung: Holzheizungen wie beispielsweise eine Pelletsheizung müssen jetzt mit einer Solaranlage gekoppelt werden). Sengl hielt dagegen: „Euch kann man es auch nicht recht machen. Wenn sogar die FDP zufrieden ist, ist es eigentlich ein gutes Gesetz.“
Robert Pernath, Geschäftsführer der Firma Nowofol in Siegsdorf betonte, dass der Mittelstand – anders als große Industriebetriebe – an die regionalen Standorte gebunden sei. „Der Mittelstand kann nicht weg.“ Den Kandidaten gab er unisono die Forderung mit: „Arbeiten Sie für das Land Bayern. Hören sie auf zu streiten und bringen sie uns Lösungen!“. Malermeister Florian Epple aus Waging warb dafür, junge Menschen wieder mehr für das Handwerk zu begeistern. Josef Sailer vom Bestattungsunternehmen Paul Loch in Traunstein hatte noch ein fachliches Thema auf dem Herzen und monierte die in Bayern fehlende zweite Leichenschau.
SHK-Vertreter Pfügl sparte ergänzend erneut nicht mit Kritik an der bundespolitischen Entscheidung, einerseits die Mittel für die akademische Bildung zu erhöhen, gleichzeitig aber die Mittel für den Betrieb der Bildungszentren der Handwerkskammern zurückzufahren. „Das ist eine schlechte Wertschätzung für das Handwerk!“. Dabei habe das Handwerk hohe Bedeutung führte Schreiner-Meister Weinzierl nochmals aus: „Wir sind der soziale Kitt und der wird gesellschaftlich mit Füßen getreten.“