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Arbeit & Soziales
Berlin, 15.06.2024 Lesezeit: 5 Minuten

Das Nachfolge-Dilemma

Werte & Traditionen wahren und neue Visionen umsetzen

Autorin: Laura Foddis & Nico Wittig

Stell Dir vor, Du stehst vor der Aufgabe, die Führung eines mittelständischen Betriebes zu übernehmen. Die Verantwortung ist groß und ebenso groß sind die Erwartungen der Mitarbeitenden, die seit Jahrzehnten die Traditionen des Unternehmens mitgeprägt haben.

Alle Prozesse, Strukturen und Kommunikationspfade sind auf die aktuelle Geschäftsführung ausgerichtet und Du fragst dich, wie deine eigenen Ideen hier hineinpassen können. Wie wirst Du das Vertrauen der Belegschaft gewinnen und nicht nur die Geschäftsleitung übernehmen, sondern auch die Unternehmenskultur weiterentwickeln?

Nachfolge ist mehr als der Verantwortungsübergang von einer Generation zur nächsten. Der Prozess der Unternehmensnachfolge hat zum Ziel, ein etabliertes Unternehmen zukunftsfähig zu gestalten, indem die Grundprinzipien und Werte bewahrt und gleichzeitig Raum für neue Ideen und Führungsansätze geschaffen werden. Vergleichbar mit einem nächsten Kapitel in der bestehenden Unternehmensgeschichte.

Dall E generiert

Dall E generiert

DALL·E 2024-04-26 13.53.53 - A young entrepreneur in the year 2024 sits in a vintage study filled with bookshelves. She's dressed in a casual sweater without a hood, featuring the

Herausforderungen in der Unternehmensnachfolge

Hand aufs Herz: Veränderung ist schmerzhaft. Sie ist zudem unausweichlich - und der Zeitpunkt in vielen Fällen absehbar. Es empfiehlt sich eine frühzeitige Auseinandersetzung mit dem bevorstehenden Prozess (idR min. 3-5 Jahre vor dem geplanten Ausstieg des Seniors/der Seniorin).

Denn der Übergang erfordert nicht nur Aspekte wie die rechtliche und finanzielle Planung, sondern auch eine umfassende, oft professionell begleitete Auseinandersetzung mit eigenen und externen Erwartungen, der emotionalen und kulturellen Dimension sowie der Kommunikationsstruktur. Für Unternehmerinnen und Unternehmer gilt es, den Prozess der Nachfolge konkret und verbindlich auf unternehmerischer, persönlicher, finanzieller und kultureller Ebene vorzubereiten.

Der Schlüssel zur guten Vorbereitung liegt in den Händen der Now Gen. Diese sollte mit Blick auf dieses einmalige Ereignis die Bereitschaft entwickeln, das Geschaffene loszulassen und Vertrauen in die (Führungs)Kompetenzen einer nachfolgenden Person zu entwickeln sowie diese zu fördern, während die Nachfolgenden das bestehende Unternehmen mit all seinen Facetten und Beziehungsdynamiken sowie Tradition und Kultur verstehen müssen, um diese behutsam im eigenen Bezugsrahmen weiterzuentwickeln.

Für potentielle Nachfolgerinnen und Nachfolger bedeutet dies erst einmal, dass eine Reise auf unbekannten Gewässern bevorsteht. Wie wächst die nächste Generation in ihrer unternehmerischen Rolle?

Der Weg zum Verständnis von Unternehmensführung und eigenen Fußabdrücken auf dem bereits eingetretenen Pfad der unternehmerischen Geschichte ist als eigener Prozessabschnitt zu betrachten, der sowohl stetiges persönliches Wachstum als auch unternehmerische Entwicklung erfordert. Die Now Gen kann der Next Gen mit all ihren praktischen Erfahrungswerten als Mentor:in und Sparringspartner:in zur Seite stehen. Die nachfolgende Generation hingegen kann mit ihrem impliziten Wissen zur Aktualisierung der Organisation beitragen.

Für die nächste Generation Unternehmertum braucht es vor allem Selbstkenntnis, Mut, Entschlossenheit und die Bereitschaft, aus Fehlern zu lernen und sich kontinuierlich auf persönlicher und fachlicher Ebene weiterzuentwickeln.

All diese Aspekte bewegen die Übernehmenden im Inneren. Doch was ist mit den Erwartungen der Außenwelt? Blicken wir zurück zu den Eingangsfragen des Artikels, erkennen wir: Bei einer Betriebsübernahme schaust Du auch in die Augen der aktuellen Belegschaft und sehe dort Ängste, Unsicherheit, offene Fragen, Misstrauen, aber auch Hoffnung und Wünsche für die Zukunft.

Ob Du als Gewinn für die Unternehmenskultur oder als Unsicherheit wahrgenommen wirst, hängt nun davon ab, wie Du mit der Belegschaft umgehst, wie Du sie informierst, mitnimmst und beteiligst - an den kommenden Schritten, an deinen Plänen und auch an deiner eigenen Entwicklung. Um dies möglichst glaubwürdig umzusetzen und auch zu verankern, hilft dir der Aufbau bzw. die Steuerung der Arbeitgebermarke (im Fachjargon Employer Branding genannt).

Employer Branding verfolgt im Zusammenhang mit einer Unternehmensübergabe zwei fundamentale Ziele:

  • Die bestehende Unternehmenskultur kennenzulernen, wertzuschätzen und bei der Neuausrichtung des Unternehmens angemessen zu berücksichtigen.
  • Unsicherheiten durch transparente Kommunikation auszuräumen, indem alle am Prozess beteiligt werden

Aus diesen Zielen kann man herleiten, dass Employer-Branding-Aktivitäten besonders zu zwei Zeitpunkten greifen:

Vor der Übergabe

Bevor der Betrieb übergeben wird, sind die Unsicherheiten auf allen Seiten am größten. Als übernehmende Person ist es dein Ziel, möglichst viel über das Unternehmen, die Kultur, Normen, Werte und vor allem auch über die Wünsche, Ziele, Erwartungen der Mitarbeitenden etc. zu erfahren.

Beispiel: Hier bietet sich an, zunächst in kleinen Arbeitskreisen und Workshops mehr über die o.g. Punkte zu erfahren. Welche Projekte verfolgen die Kolleg:innen, wie werden die Werte des Unternehmens gelebt und wahrgenommen, was macht den Betrieb zu einem herausragenden Arbeitgeber, wo darf noch nachgebessert werden?

Die Ergebnisse solcher Workshops sollten auf jeden Fall in einer Mitarbeiterbefragung validiert werden. Jede Person im Unternehmen soll die Möglichkeit haben, gehört zu werden. Deine Botschaft sollte sein: Ich höre euch zu, ich möchte wissen, was euch ausmacht und bewegt.

Nach dieser Phase hast Du sehr viele Informationen darüber, was gut läuft, was beibehalten werden soll und was Verbesserungspotentiale birgt. Deine Mitarbeitenden wissen von deinen Ideen und Plänen. Im Idealfall hast Du auch bereits erste Meinungen dazu bekommen und kennst das Stimmungsbild. Lege diese Informationen nicht in die Schublade, Du brauchst sie in der nächsten Phase.

Während und nach der Übergabe

Durch deine Employer-Branding-Aktivitäten bist Du präsent und konntest eine Klarheit über deine Vision vermitteln. Du hast außerdem bewiesen, dass Du dich für die Belange der Mitarbeitenden interessiert.

Nun heißt es: Umsetzen.

Erste Wünsche wirst du als “Quick Wins” realisieren können. Kleinere “Geschenke”, die zeigen: Es gibt bereits erste positive Veränderungen.

Ein Beispiel zur Einordnung: Deine Mitarbeitenden wünschen sich mehr sportliche Benefits? Organisiere eine Partnerschaft mit entsprechenden Anbietern, Fitnessstudios, Sportclubs etc. Das ist recht schnell umgesetzt und sofort erlebbar.

Die weiteren Veränderungen kommunizierst Du transparent und Du berichtest ebenfalls offen darüber, was Du im Moment alles auslotest und in die Wege leitest. Wenn Du immer ein Leuchtturm bist, der proaktiv die Richtung vorgibt, steigerst Du das Vertrauen weiter. Beachte bei deinen Handlungen die drei K-Regel, Konsequenz, Kontinuität und Konsistenz, dann wirst Du sehen, dass aus der anfänglichen Unsicherheit eine Welle der Begeisterung für die Zukunft des Betriebes wird.

Gibt es Wünsche, die Du aktuell nicht umsetzen kannst? Kein Problem - ordne das Thema ein, argumentiere, wieso es noch nicht zur Umsetzung kommt. Auch wenn es dem ein oder anderen nicht gefallen wird. Deine Offenheit wird dir den Respekt bringen, den es braucht, um als gute Geschäftsführung anerkannt zu werden.

Alle positiven Aspekte, die Du im Rahmen dieses Prozesses aufgedeckt hast, kannst Du auch in der Außenkommunikation nutzen, um auch dort zu zeigen, dass es bei euch weitergeht und warum Ihr jetzt noch mehr als Vorher ein lohnenswerter Arbeitgeber seid. Wichtig ist: Du kannst nicht etwas erfinden, was nicht da ist. Entsprechend helfen dir die O-Töne und Aussagen aus deinen Interviews authentisch zu kommunizieren.

Laura Foddis

Laura Foddis

Fazit

Die erfolgreiche Nachfolge in einem Unternehmen erfordert eine sorgfältige Vorbereitung und einen kooperativen Übergangsprozess zwischen dem abgebenden Unternehmer und der Next Gen. Der Abgebende muss frühzeitig notwendige Schritte einleiten, sich aktiv im Betrieb engagieren und sich die Frage stellen, ob er seinen Betrieb aus der Perspektive eines potenziellen Nachfolgers übernehmen würde. Der Nachfolger wiederum sollte die Chance wertschätzen, den Betrieb gemäß der eigenen Vision weiterentwickeln und den Transfer von Werten, Unternehmenskultur und Vision einleiten. Durch klare Kommunikation und Augenhöhe zwischen den Beteiligten kann ein reibungsloser Übergang gewährleistet werden, der die Kontinuität und den Erfolg des Unternehmens sicherstellt.

Bist du bereits Nachfolgeunternehmer:in oder planst Du ein Unternehmen zu übernehmen?

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