Intuition vs. Automatisierung

Im Interview gibt es manchmal diesen Moment, in dem sich die Atmosphäre verändert: Der/Die Kandidat:in entspannt sich, hört auf, auswendig gelernte Antworten zu geben, und plötzlich siehst du das Blitzen in seinen Augen, wenn er über etwas spricht, das ihm/ihr wirklich wichtig ist. In diesem Augenblick hast du das Gefühl, dass die Person sich zeigt, und dadurch entsteht eine echte Verbindung. Diesen subtilen Moment solltest du nicht verpassen – hier bekommst du Einblicke, die du in keinem Lebenslauf finden wirst.

Praktischer Tipp

Oft entstehen diese ehrlichen Momente aus der Stille. Wenn das Gespräch ins Stocken gerät oder es eine Pause gibt, widerstehe der Versuchung, die Stille sofort zu füllen. Halte den Blickkontakt und frage: „Was denkst du gerade?“ Diese Frage ist simpel und kraftvoll, denn sie gibt deinem Gegenüber die Möglichkeit, sich zu öffnen.

Intuition ist ein starkes Werkzeug im Interviewprozess. Sie zeigt sich oft in Momenten, in denen du plötzlich hellwach wirst – vielleicht, weil der/die Kandidat:in etwas gesagt hat, das dich besonders interessiert oder etwas, das dich stutzig macht. Es ist dieser subtile Moment, in dem du spürst, dass da mehr ist, als es auf den ersten Blick scheint. Genau dann darfst du nicht den Fehler machen, dieses Gefühl zu ignorieren.

Praktischer Tipp:

Achte auf dein eigenes inneres Aufmerken – das Gefühl, dass du einer Sache auf der Spur bist. Das kann ein Moment sein, in dem du das Bedürfnis hast, tiefer zu fragen oder etwas zu klären. Wenn das passiert, schiebe es nicht beiseite. Greife diese subtile Spannung auf, indem du beispielsweise fragst: „Habe ich das gerade richtig verstanden?“ oder einfach tiefer nachfragst. Deine Intuition zeigt dir oft den Weg zu den wirklich aufschlussreichen Antworten.

Ein Interview ist keine Einbahnstraße. Wenn du als Interviewer offen und ehrlich bist, gibst du dem/der Kandidat:in die Erlaubnis, dasselbe zu tun. Authentizität ist ansteckend – wenn du dich zeigst, wird sich auch dein Gegenüber eher öffnen. Menschen wollen verstanden und nicht nur bewertet werden.

Praktischer Tipp:

Wenn du spürst, dass der/die Kandidat:in nervös oder zurückhaltend ist, gib ihm das Gefühl, dass auch du nicht perfekt bist. Teile eine persönliche Erfahrung, vielleicht eine Herausforderung, der du selbst im Job begegnet bist. Sag etwas wie: „Ich erinnere mich an eine ähnliche Situation, in der ich unsicher war...“ oder „Ich hatte auch einmal Schwierigkeiten, damit umzugehen.“ Dadurch schaffst du eine Atmosphäre, in der der/die Kandidat:in sich sicher fühlt und ehrlicher wird.

Strukturierte Interviews sind wichtig, aber manchmal bringt dich eine spontane Wendung im Gespräch weiter als der vorgefertigte Fragenkatalog. Wenn du spürst, dass ein Thema aufkommt, das mehr Tiefe verspricht, sei flexibel und lass das Skript los. Die besten Einsichten entstehen dann, wenn du dem Gespräch Raum gibst, unerwartete Richtungen einzuschlagen.

Praktischer Tipp:

Gute Vorbereitung gibt dir die Sicherheit, flexibel zu sein. Wenn du den Gesprächsleitfaden und die Anforderungen genau kennst, kannst du dich leichter vom Skript lösen und dem Gespräch folgen. Je besser du vorbereitet bist, desto freier kannst du reagieren. So kannst du nichts vergessen, sondern kannst dich ganz auf das Gespräch und die Person einlassen.

Präsenz bedeutet im Moment zu sein, den Raum zu spüren und dein Gegenüber wirklich wahrzunehmen. Wenn du hingegen damit beschäftigt bist, wie du selbst performst oder wie du wahrgenommen wirst, verlierst du die Verbindung zum Gespräch. Es geht darum, offen für die subtilen Signale des Gegenübers zu sein. Nur so kannst du die feinen Momente erkennen, in denen die Person sich zeigt.

Praktischer Tipp:

Wenn du merkst, dass du dich auf dich selbst konzentrierst oder abgelenkt bist, nimm dir einen Moment, um bewusst durchzuatmen und deinen Körper zu spüren. Ein tiefer Atemzug hilft dir, zurück in den Moment zu kommen. So kannst du deine Aufmerksamkeit wieder ganz auf den Kandidaten lenken und die subtilen Signale wahrnehmen, die im Gespräch wichtig sind.

Selbst die aufmerksamsten und intuitivsten Interviewer sind nicht frei von Vorurteilen. Jeder von uns bringt unbewusste Bias mit, die unsere Entscheidungen beeinflussen können. Eine einfache Möglichkeit, dies zu umgehen, ist es, den/die Kandidat:in von verschiedenen Personen im Unternehmen sprechen zu lassen. Unterschiedliche Perspektiven führen zu einer objektiveren Einschätzung.

Praktischer Tipp:

Involviere mehrere Teammitglieder in den Bewerbungsprozess. So können unterschiedliche Blickwinkel auf den/die Kandidat:in eingenommen werden, was hilft, eine fundiertere Entscheidung zu treffen und Personal Bias zu minimieren. Nach dem Gespräch sollte es Raum geben, um diese Eindrücke zu teilen und abzugleichen.