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Cottbus, 20.10.2023

BVMW Positionspapier „Modellregion Lausitz“ an die Brandenburger Politik

Eine Kooperation der Wirtschaftsverbände der Lausitz

Die Strukturstärkung der Lausitz nimmt Fahrt auf. Milliarden von Euro werden durch die Politik für die Region bereitgestellt. Die Wirtschaft der Lausitz anerkennt diesen Einsatz der Landesregierungen in Brandenburg und Sachsen sowie der Bundesregierung.

Gleichwohl blickt sie mit großen und ernstzunehmenden Sorgen in die Zukunft. Wir benennen im Folgenden die aus unserer Perspektive größten Herausforderungen und geben Impulse zu deren Bewältigung. Zudem erwarten wir im Hinblick auf die Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen sowie die Europawahl im nächsten und die Bundestagswahl im übernächsten Jahr, dass die wirtschaftspolitischen Entscheiderinnen und Entscheider in Sachsen und Brandenburg mit uns in den Dialog zu unseren Positionen treten. Dies gilt für Regierung wie Opposition.

Gleichzeitig laden wir dazu ein, für diesen Dialog unsere Foren zu nutzen.

Förderung

Aus dem Strukturstärkungsgesetz sowie dem Just Transition Fund (JTF) wird für die Lausitz sehr viel Geld zum Ausgleich der extremen Strukturbrüche durch den Kohleausstieg zur Verfügung gestellt. Es werden damit wichtige Investitionen in Infrastruktur, kommunale Einrichtungen und wirtschaftliche, aber auch staatliche Leuchtturmprojekte geleistet.


Das richtige Ziel, durch den JTF die Wirtschaft zu fördern, wurde jedoch nur ungenügend erreicht. Der Fokus muss weitaus stärker auf die direkte, unbürokratische und branchenoffene Förderung von Investitionen der Wirtschaft gerichtet werden, die eigenständige Wertschöpfung erzeugen, somit künftige Steuereinnahmen und dadurch den Wohlstand der Region sichern. Dies gilt insbesondere für Investitionen von kleinen und mittelständischen Unternehmen. Für die Umsetzung dieser Investitionen müssen vorrangig die Ressourcen der regionalen Wirtschaft eingesetzt werden. Zudem muss die Rolle der Wirtschaft in öffentlich-privaten Partnerschaften gestärkt werden, um von der unternehmerischen Dynamik profitieren zu können. Die Beantragung von Förderungen muss simpel und digital, die Prüfung wohlwollend und die Bescheidung binnen vier Wochen erfolgen.

Wir bieten unsere direkte Mitarbeit an, um diese Ziele zu erreichen.

Fachkräftekrise

Der Erfolg der Strukturstärkung entscheidet sich darin, ob es gelingt, rasch genug qualifizierte Fachkräfte, aber auch Arbeitskräfte zu gewinnen.

Das stetig abnehmende Fachkräfteangebot reicht schon jetzt nicht aus, um bestehende Bedarfe zu decken. Um dennoch Stellen zu besetzen, werden Fachkräfte aus regionalen Arbeitsverhältnissen abgeworben. Das schädigt die Wertschöpfung der abgebenden Unternehmen, teilweise in einem existenziell bedrohlichen Ausmaß – insbesondere bei KMU. Diese Kannibalisierung muss gestoppt werden. Ausgangspunkt hierfür könnte ein Kommunikationsformat der regionalen Wirtschaft sein, die „Lausitzer Fachkräfteallianz“, in dessen Rahmen kooperative Maßnahmen vereinbart werden.

Weiterhin müssen mehr Arbeits- und Fachkräfte für die Lausitz gewonnen werden.

Es muss vor Ort mehr ausgebildet werden.
Dafür bedarf es zunächst einer verstärkten Berufsorientierung in den Schulen unter obligatorischer Einbeziehung der regionalen Wirtschaft. Zudem sind gut angebundene Ausbildungszentren, wie zum Beispiel das geplante Internationale Fachkräftecollege im Industriepark Schwarze Pumpe sowie mehr duale Studienplätze nötig.

Vorhandene Fachkräfte müssen gehalten, weiter qualifiziert und effizienter eingesetzt werden.
Vor allem müssen Fachkräfte aber überregional, national und auch international angeworben werden. Dafür muss die grenzübergreifende Lausitz durch eine einheitliche Marke und eine einheitliche Imagekampagne national aber auch international positiv sichtbarer gemacht werden. Zudem muss die Zuwanderung und insbesondere die Anerkennung ausländischer Qualifikationen erheblich vereinfacht und beschleunigt werden. Dabei sollte die Einschätzung der Arbeitgebenden hinsichtlich der Qualifikation ihrer ausländischen Arbeitnehmenden ein erhebliches Gewicht erhalten. Das Erlernen der deutschen Sprache muss gefördert werden, ein pauschales, gesetzlich festgelegtes Sprachniveau darf jedoch nicht die Zuwanderung vereiteln.

Die Politik sollte die Anwerbung im Ausland dem Markt überlassen, jedoch entsprechende Anreize setzen. Weiterhin sollten „Kümmererstrukturen“ wie zum Beispiel das geplante Projekt „Fachkräfte im Industriedreieck Schwarze Pumpe“ (PROF-ISP) unterstützt werden, die helfen Arbeits- und Fachkräfte sozial zu integrieren und weiche Standortfaktoren zu vermitteln. Für all dies sind attraktive und gut bezahlte Arbeitsplätze die Voraussetzung. Die Entscheidung einen Arbeitsplatz in der Lausitz anzunehmen, wird aber aufgrund weicher Standortfaktoren gefällt werden. Dazu gehören zuvorderst ein leistungsfähiger ÖPNV und der zeitnahe Ausbau der Bahnverbindung nach Berlin. Zudem müssen attraktive Wohn-, Kinderbetreuungs- und Freizeitangebote in ausreichendem Maße geschaffen werden. Dafür ist es erforderlich, dass regionale Wirtschaft und Kommunen, aber auch Kommunen untereinander, unterstützt von den Landesregierungen, mehr und primär mit Blick auf die gesamte Lausitz kooperieren.

Vor allem aber muss sich die Lausitz als weltoffene Zuwanderungsregion für Arbeitskräfte begreifen.

Energiekrise

Deutschland hat seine atomare Energieerzeugung beendet. In Kombination mit dem begonnenen Kohleausstieg steht Deutschland damit international allein. Gleichzeitig erfolgte die Einstellung russischer Gaslieferungen als Sanktion im Zuge des Angriffskrieges auf die Ukraine. Dadurch sind die Energiepreise in Deutschland derart drastisch gestiegen, dass sie für die Industrie im internationalen Vergleich trotz zwischenzeitlicher Preisrückgänge bei weitem nicht mehr wettbewerbsfähig sind. Für die Wirtschaft führen die gestiegenen Energiepreise zu deutlich höheren Kosten, die ertragsseitig nicht kompensiert werden können. Beides führt zur Zurückhaltung von Investitionen, deren Abfluss ins Ausland oder Betriebsschließungen.

Ob die Energiewende Deutschlands gelingt, wird sich auch in der Lausitz entscheiden. Die hiesige Energiewirtschaft sichert durch die Braunkohle aktuell maßgeblich die Stromversorgung in Deutschland und baut gleichzeitig energisch die Versorgung mit regenerativer Energie auf. Dieser Umstieg darf jedoch nur in dem Maß und nur dann erfolgen, wenn und soweit stabile und wirtschaftlich international wettbewerbsfähige Alternativen in Betrieb sind. Dazu gehören zwingend auch der Aufbau der Wasserstoffinfrastruktur und grundlastfähiger Gas- / H2-ready-Kraftwerke. Für beides sind die energiepolitischen Rahmenbedingungen noch nicht gegeben.

Mit den derzeitigen Vorlauf- und Realisierungszeiten wird die geplante Energiewende bis zum Jahr 2038 nicht gelingen - und schon gar nicht früher.

Deregulierung und Digitalisierung in der „Modellregion Lausitz“

Keine der oben genannten Herausforderungen der Lausitzer Wirtschaft ist im Rahmen der bestehenden Rechtsvorschriften und aktuellen Verwaltungsarbeit zu bewältigen - zumindest nicht schnell genug. Gründe dafür sind zum einen zu viele und insbesondere im Zusammenspiel zu komplexe Vorschriften. Zum anderen überfordert deren Umsetzung die überwiegend statischen und analogen Arbeitsabläufe der Verwaltung. Die Milliarden Euro, die aus Bundes- und Landesmitteln – mithin aus Steuern - für die Strukturstärkung in der Lausitz bereitgestellt werden, begründen jedoch eine Verpflichtung der Region, diese Mittel schnell abzurufen und erfolgreich einzusetzen. Gelingt das nicht, droht eine Destabilisierung der Region. Daher darf der Lausitz nicht nur das Geld, sondern muss ihr auch die Möglichkeit eingeräumt werden, die notwendigen Maßnahmen schnell, unbürokratisch und den Anforderungen angepasst zu ergreifen.

Dafür sind eine schnelle und drastische Deregulierung und eine ebenso rasche wie zielorientierte Digitalisierung der Verwaltung notwendig.

Zur Deregulierung bedarf es der unverzüglichen Schaffung von konkreten, aber möglichst großzügigen Ausnahmetatbeständen in den Rechtsvorschriften, die die für eine erfolgreiche Strukturstärkung nötigen Maßnahmen behindern bzw. verzögern. Das betrifft z.B. das Zuwanderungs-, Genehmigungs-, Planungs-, Datenschutz- und Vergaberecht.

Regional sind diese Ausnahmetatbestände auf die Strukturwandelregion als „Modellregion Lausitz“ zu begrenzen.

Der Verwaltung müssen zudem weitgehende Ermessensspielräume eröffnet werden. Konkrete Maßnahmen könnten von einer Task-Force unter maßgeblicher Beteiligung der Wirtschaft erarbeitet werden. Die verwaltungsmäßige Ausführung muss digital erfolgen – von der Antragstellung, über die Prüfung bis zur Bescheidung. Dafür muss bereits im Rahmen der Entstehung jeglicher Rechtsvorschrift als Grundlage der Verwaltungsarbeit deren einfache digitale Bearbeitung berücksichtigt und gewährleistet werden. Zudem muss der Einfluss der Antragsteller nicht nur auf den Inhalt von Rechtsvorschriften, sondern auch auf die Art und Weise der Beantragung gesichert werden. Marktübliche, bereits vorhandene IT-Lösungen sollten maßgeschneiderten vorgezogen werden. Insellösungen sollten einheitlichen – bestenfalls auf Landes- oder Bundesebene bereits vorhandenen - Lösungen weichen.

Kooperation

Wir sind davon überzeugt, dass die notwendige Strukturstärkung nur gelingen kann, wenn Wirtschaft, Politik, Wissenschaft, Verwaltung und die Kommunen der Lausitz, unterstützt von den Ländern Sachsen und Brandenburg, über die Landesgrenze hinweg und mit Blick auf das Wohl der gesamten Lausitz als eine Region kooperieren.

Dafür stehen unsere Organisationen als Ansprechpartner und Unterstützer jederzeit zur Verfügung.

Lausitz, im September 2023

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