Der BVMW prüft Rechtmäßigkeit der Rückforderungen der Corona-Soforthilfen
Die Aufforderung zur Rückzahlung der Corona-Soforthilfen kam für viele Unternehmen unerwartet. Nach einer umfangreichen juristischen Prüfung der Rechtmäßigkeit dieser Rückforderungen rät der BVMW Mitgliedern zunächst mit Rückzahlungen zu warten.
Der BVMW Bayern hat zuletzt das Ergebnis einer Rechtseinschätzung zur gegenwärtig behördlich durchgeführten Überprüfung der Corona-Soforthilfen bei 260.000 Unternehmen in Bayern bekanntgegeben. Nach Einschätzung der Rechtsanwälte Nils Bergert und Dr. Alexander Lang (Kanzlei Steinbock & Partner, Würzburg) ist eine Rückforderung der geleisteten Corona-Soforthilfen in großen Teilen unzulässig. Die Rechtsexperten, und mit ihnen auch die Bundesrechtskommission des Verbands Der Mittelstand.BVMW sowie der BVMW in Bayern empfehlen betroffenen Unternehmerinnen und Unternehmern deshalb, das Online-Rückmeldeverfahren zwar ordnungsgemäß durchzuführen, aber zusätzlich anwaltlich mitteilen zu lassen, dass eine Rückzahlung nicht erfolgt und bis zu einer abschließenden Klärung auch keine Rückzahlung zu leisten.
Klare Versprechen der Politik
Bei der Bewilligung der Anträge war nie die Rede von einer Rückzahlung und sowohl der damalige Finanzminister Olaf Scholz als auch das Bayerische Wirtschaftsministerium stellten die Zahlungen als Zuschüsse dar und nicht als Kredite, die zurückgezahlt werden müssen. In Bayern würde das aktuelle Verfahren sogar ausgeschlossen. Das Bayerische Wirtschaftsministerium erklärte in einer Pressemeldung vom 27.2.2021: „In Bayern wird auch kein allgemeines Rückmeldeverfahren durchgeführt, da die Bewilligungsstellen bereits im Rahmen der Gewährung der Soforthilfen den Liquiditätsengpass zum Teil umfassend geprüft haben. Die Verfahren sind daher für die Verwaltung – mit Ausnahme noch weniger laufender Nachprüfungen – grundsätzlich abgeschlossen.“
Unklar ausgestaltete Kriterien und Bescheide
Weiterhin sehen die allermeisten Bescheide keine allgemeine Rückzahlungspflicht vor. Diese ist dort nur im Fall der Überkompensation durch andere Hilfsprogramme festgelegt.
Es fehlt daher an einer hinreichend deutlichen Grundlage für die Rückzahlungspflicht im Bewilligungsbescheid. Ein solcher Hinweis ist aber Voraussetzung für die Rückforderung durch die Behörden. Auch die Grundlagen für eine Rückforderung wurden mangelhaft festgelegt. So wurde der „Liquiditätsengpass“, der im Jahr 2020 als Entscheidungsgrundlage für die Gewährung der Hilfen herangezogen wurde, lange nicht genau definiert. Eine solche Unklarheit darf aber keinesfalls zu Lasten der Unternehmen gehen - dies hat auch eine Richterin in einem Pilotverfahren in Nordrhein-Westfalen im Jahr 2022 betont, das wie zwei andere Verfahren zugunsten der klagenden Unternehmen entschieden wurde: Unklarheiten gehen demnach immer zu Lasten der Behörden, nicht der Empfänger.
Keine Gleichbehandlung der Unternehmen
Zentraler Streitpunkt mit erheblicher Auswirkung auf das Berechnungsergebnis sind schließlich auch die Personalkosten. Diese sind laut dem Rückmeldeverfahren in Bayern nicht berücksichtigungsfähig. Im Rahmen der Antragsprüfung und Bewilligung wurden jedoch auch Personalkosten berücksichtigt. In anderen Bundesländern, so etwa in NRW, Schleswig-Holstein und Hamburg, werden die Personalkosten hingegen als Auslage berücksichtigt. Auch wenn hier länderspezifische Regelungen getroffen wurden, gebietet der Grundsatz der Gleichbehandlung, dass zumindest ein einheitlicher Rahmen über alle Bundesländer hinweg besteht.
Achim von Michel, Politikbeauftragter im BVMW Bayern erklärt dazu auch in einem aktuellen Beitrag des Bayerischen Rundfunks: „Unter unseren Mitgliedern befinden sich viele Unternehmerinnen und Unternehmer, die sich aktuell um Kredite bemühen, um die plötzliche und unerwartete Rückzahlung überhaupt leisten zu können. Nach Corona-Lockdowns und einem weiteren Krisenjahr 2022 mit Krieg und Energiekrise ist das für viele Unternehmen anders gar nicht mehr zu stemmen, da helfen auch keine Stundungsangebote. Wir empfehlen unseren Mitgliedsunternehmen sowie allen mittelständischen Betrieben und Selbständigen deshalb, die Corona-Soforthilfen aktuell nicht zurückzuzahlen und die weitere Entwicklung der Rechtslage abzuwarten.“
Dr. Alexander Lang, Partner in der Kanzlei Steinbock & Partner, rät zunächst von Zahlungen ab, bis sich die Gerichte umfangreich mit dem Thema auseinandergesetzt und eine endgültige juristische Entscheidung getroffen haben.
Update: Stand am 6. Juni 2023
Inzwischen wurde die erste Klage gegen die Rückforderungen und das zugehörige Onlineverfahren vor dem Münchner Verwaltungsgericht eingereicht. Kläger ist ein in der Nähe von München ansässiges mittelständisches Unternehmen. Ebenso startete Christoph Sackerer von der Agentur branda.works eine Petition vor dem bayerischen Landtag, um die Aussetzung der Rückzahlungen zu erwirken.
Die Frist für die Teilnahme am Rückmeldeverfahren endet ursprünglich am 30. Juni. Wirtschaftsminister Aiwanger kündigte nun an, sie bis Mitte November zu verlängern. Grund dafür sei, dass sich viele Betriebe bis jetzt noch nicht am Rückmeldeverfahren beteiligt hätten. Vor einigen Wochen gab das Wirtschaftsministerium bekannt, dass Betriebe mit einem Gewinn von unter 30.000 Euro nach Steuern eine Erlassung der Rückzahlungspflicht beantragen könnten. Das passende Antragsformular sei ab Anfang Juli auf einer Onlineplattform verfügbar, heißt es aus dem Wirtschaftsministerium.