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01.10.2022

EU-Richtlinie belastet Unternehmen und Handel

Die geplante EU-Lieferkettenrichtlinie geht deutlich über das deutsche Äquivalent hinaus.

Autor: Prof. Dr. Alexander Sandkamp

In der jetzigen Form würde sie europäische Unternehmen belasten und die Resilienz der europäischen Volkswirtschaft schwächen.

Zur Stärkung der Menschenrechte hatte der Deutsche Bundestag bereits im Juni 2021 ein Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz verabschiedet. Dieses Gesetz tritt zum 1. Januar 2023 in Kraft und verpflichtet betroffene Unternehmen, die Einhaltung gewisser Standards zum Schutz von Menschen- und Umweltrechten entlang ihrer Lieferketten zu überprüfen. Ende Februar 2022 hat nun auch die Europäische Kommission einen Entwurf für eine europäische Richtlinie vorgelegt, welcher nochmals deutlich über das deutsche Gesetz hinausgeht.

Unterschiede zum deutschen Gesetz

Die von der EU-Kommission vorgelegte Lieferkettenrichtlinie unterscheidet sich in drei wesentlichen Aspekten vom deutschen Gesetz.
Erstens soll sie bereits für Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern und einem Umsatz von mehr als 150 Millionen Euro gelten – in
Deutschland beträgt der Schwellenwert ab 2024 1000 Beschäftigte. Unternehmen, die in Hochrisiko-Sektoren tätig sind, fallen sogar
schon ab 250 Mitarbeitern und einem Umsatz von mehr als 40 Millionen Euro unter die Richtlinie.

Zweitens sieht der EU-Entwurf eine direkte Verantwortung von Unternehmen für ihre mittelbaren Zulieferer vor. Das deutsche Gesetz sieht hier lediglich eine abgestufte Sorgfaltspflicht vor. Darüber hinaus legt die EU-Richtlinie ebenfalls eine Sorgfaltspflicht für nachgelagerte Unternehmen fest. Betroffene Unternehmen müssten also nicht nur ihre Zulieferer, sondern auch ihre Kunden im Auge behalten.

Drittens werden Umweltrechte im EU-Entwurf expliziter berücksichtigt als im deutschen Gesetz, welches Umweltrechte hauptsächlich im Zusammenhang von Menschenrechtsverletzungen kennt. Insgesamt geht der EU-Entwurf deutlich über das deutsche Gesetz hinaus, indem er mehr Unternehmen zu umfangreicheren Sorgfaltspflichten entlang ihrer gesamten Lieferkette verpflichtet.

Auswirkungen auf betroffene Unternehmen

Lieferkettengesetze erhöhen explizit die Kosten von Unternehmen pro Lieferantenbeziehung, da jeder Zulieferer in Bezug auf die Einhaltung von Menschenrechten und Umweltstandards einzeln geprüft werden muss. Zusätzlich besteht das Risiko, dass Verstöße zunächst unentdeckt bleiben und irgendwann durch Strafzahlungen sanktioniert werden. Diese impliziten Kosten müssen ebenfalls berücksichtigt werden.

Um diese Kosten zu minimieren, werden Unternehmen die Anzahl ihrer Zulieferer reduzieren, indem sie ihre Lieferketten konsolidieren
oder sie in Industrieländer verlagern, in denen die Risiken gravierender Menschenrechtsverletzungen nicht gegeben beziehungsweise leichter zu überwachen sind als in Entwicklungsländern. Auch diese Anpassungsstrategie erhöht die Produktionskosten, da die Vorteile der internationalen Arbeitsteilung verloren gehen, und reduziert die Wettbewerbsfähigkeit betroffener Unternehmen. Eine Konsolidierung macht Unternehmen zudem anfälliger für spezifische Schocks bei einzelnen Zulieferern und wirkt der aktuell so dringend benötigten Diversifizierung von Lieferketten entgegen.

Auswirkungen auf Entwicklungsländer

Für Zulieferer insbesondere in Entwicklungsländern bedeutet der Rückzug europäischer Unternehmen den Verlust von Exportgeschäft bis hin zum Marktaustritt. Beschäftigung verlagert sich entweder auf den heimischen Markt oder geht ganz verloren. Nun zahlen Exporteure im Durchschnitt höhere Löhne, beschäftigen besser qualifizierte Mitarbeiter und achten mehr auf Corporate Social Responsibility als Unternehmen, die lediglich den heimischen Markt bedienen. Lieferkettengesetze schaden somit genau den falschen Akteuren, da sie definitionsgemäß nur jene Unternehmen treffen, die in internationale Wertschöpfungsketten eingebunden sind. Die Menschenrechtslage mag sich bei den verbliebenen Exporteuren in die EU zwar verbessern. Insgesamt könnte sie sich aufgrund schrumpfender Exporteure jedoch verschlechtern. Gut gemeint ist hier aus Sicht der Entwicklungsländer also nicht zwingend auch gut gemacht.

Negativliste als Alternative

Eine Alternative zum aktuellen Entwurf der EU wäre eine behördlich geführte schwarze Liste von Unternehmen, die nachweislich Menschenrechtsverletzungen begehen und mit denen europäische Unternehmen keine Handelsbeziehungen pflegen dürfen. Eine solcheListe böte ein hohes Maß an Rechtssicherheit, welches erwähnte implizite Kosten so gut wie eliminieren würde. Auch die expliziten Kosten wären geringer, da nicht mehr jeder Zulieferer eigenständig geprüft werden müsste. Der problematische Anreiz, die Zahl der Zulieferer zu reduzieren, würde verschwinden, womit sich auch die unerwünschten Nebenwirkungen in Entwicklungsländern vermeiden ließen. Über einen Negativlistenansatz könnten Menschen- und Umweltrechte somit effektiv geschützt werden, während gleichzeitig die Wettbewerbsfähigkeit und Resilienz europäischer Unternehmen bewahrt wäre.

Prof. Dr. Alexander Sandkamp
Juniorprofessor für Volkswirtschaftslehre
Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW)
www.ifw-kiel.de

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