Maksym Yemelyanov, Adobe Stock
Vor allem durch eine verbesserte Bildung lässt sich dem zunehmenden Fachkräftemangel auf Dauer entgegenwirken.
Deutschlands Aus- und Weiterbildungssystem muss fit gemacht werden für die Anforderungen des sich immer schneller verändernden Marktes. Die Nachwuchskräfte von morgen müssen gezielter auf die Anforderungen des Arbeitsmarktes vorbereitet werden. Vor allem durch eine verbesserte Bildung lässt sich dem zunehmenden Fachkräftemangel auf Dauer entgegenwirken. Die Bildungspolitik ist hier gefordert. Gleichfalls gilt es, die sich durch digitale Entwicklungen stetig wandelnden Anforderungen an Beschäftigte, mit fortlaufender Weiterqualifizierung zu vermitteln. Für den Mittelstand ist eine qualitätsorientierte Bildungspolitik gleichzeitig Wachstums-, Beschäftigungs- und Standortpolitik.
Vor allem durch eine verbesserte Bildung lässt sich dem zunehmenden Fachkräftemangel auf Dauer entgegenwirken.
Thiemo Fojkar, Vorstandsvorsitzender Bundesverband der Träger beruflicher Bildung e. V. (BBB)
Corona hat Schwachstellen im deutschen Bildungssystem gezeigt: Digitale Lehr- und Lernkonzepte, digitale Lernplattformen und -infrastruktur sowie die digitale Kompetenzen der Lehrkräfte müssen wir unverzüglich und mit größtem Finanzaufwand angehen. Es bedarf Fortbildungen, einheitlicher Beschlüsse und der Entwicklung von Bildungsangeboten inklusive von Methodik und Didaktik. Deutschland muss den Anschluss an eine digitale Ausbildung herstellen. Hier besteht die Chance, einen „Bildungsraum“ für digital gestützte Lehre zu schaffen, der, auch über einzelne Institutionen hinaus, den Lernenden fokussiert. So kann praxisbezogene Lehre in den schulischen Alltag integriert werden. Unsere Wirtschaft benötigt Menschen mit digitalen Kompetenzen. Schaffen wir die Vermittlung dieser Kenntnisse nicht, wird das unaufhaltsam auf den Sozialstaat zurückfallen – daher sollten wir keine Investition scheuen!
Die gesellschaftliche Anerkennung eines Menschen darf nicht von Abitur oder Hochschulabschluss abhängen. Den Erwerb eines guten Hauptschul- und Realschulabschlusses muss man ebenso würdigen. Beide sind Grundlage für eine qualifizierte berufliche Bildung. Ohne sie könnten mittelständische Unternehmen nicht Motor der Wirtschaft sein.
Wenn aktuell nahezu zwei Drittel eines Jahrgangs ein studieren und nur eins einen Beruf lernt, entspricht dies nicht dem Wirtschaft-Bedarf. Daher muss die Gleichwertigkeit beruflicher und akademischer Bildung wieder fester Grundsatz der Gesellschaft sein. Die Mittelstandsallianz und Bildungsallianz fordern eine bundesweite Kampagne für berufliche Bildung sowie die Gründung einer Bundesstiftung für berufliche Bildung, an der sich Bund, Länder und Kommunen sowie Wirtschafts- und Bildungsexpert:innen beteiligen.
Eine frühe Wissensvermittlung ökonomischer Grundkenntnisse stärkt das Interesse junger Menschen am Unternehmertum und fördert die Gründungskultur in Deutschland. Praxisaufenthalte und Hospitationen von LehrerInnen verbessern die Berufs-und Studienorientierung an Schulen und verringern somit Studienabbruchquoten, die zum Teil über 40 Prozent liegen. Zudem sollte die Politik Unternehmenspraktika oder Unternehmensbesuche auch für SchülerInnen verpflichtend in den Schulplänen verankern.
Wir stellen fest, dass immer mehr Geld in der Bildungsbürokratie und in Reformprojekten von zweifelhaftem Nutzen versickert statt in der Bildung – zu wenig kommt bei den SchülerInnen vor Ort an. Investitions- und Instandhaltungsstau sowie die Digitalisierungslücke, sind Folgen dieser Fehlentwicklung. Wir fordern, dass die Schulen innerhalb der föderalen Strukturen mehr Autonomie erhalten, um über ihre eigenen Finanzen zu entscheiden und dadurch Personal, Investitionen und Organisationsstrukturen planen zu können. Zugleich stellen wir fest, dass das Bildungssystem chronisch unterfinanziert ist. Deswegen fordern wir, dass ein Prozentpunkt der Mehrwertsteuer zusätzlich in Bildung fließt. Das wären 100 Milliarden Euro in zehn Jahren und der Start in eine wirkliche Bildungsdekade.
Die Bildung muss so ausgerichtet werden, dass Schul- und Hochschulabgänger:innen in die Lage versetzt werden, das erworbene Wissen für den Standort Deutschland erfolgreich einzubringen. Es sollte eine interministerielle Arbeitsgruppe „Gründer-, Innovations- und Aufsteigerkultur“ geben, mit dem Ziel, junge Menschen mit herausragendem MINT-Potenzial gezielt zu fördern (Stipendien etc.) und ihnen auch Unternehmerkultur zu vermitteln.
Besonders der Mittelstand profitiert von gezielten Weiterbildungsprogrammen, die ihn wettbewerbsfähig halten und nachhaltiges Wachstum ermöglichen. Unternehmen und Bildungseinrichtungen müssen in den nächsten drei Jahren verstärkt auf Kompetenzentwicklung setzen.
Gerhard Wächter, Präsident eato
Nach wie vor sind viele mittelständische Unternehmen erst am Anfang der digitalen Transformation. Geschäftsmodelle verändern sich durch die Digitalisierung, durch die sich daraus resultierend ändernden Prozesse im Unternehmen selbst sowie die damit verbundenen Investitionen. Vor allem gilt dies in der Personalentwicklung (sowohl bei den Führungskräften, als auch bei den MitarbeiterInnen). Dies ist nicht immer aus eigener Kraft erreichbar. Wir fordern, dass Investitionen in die Kompetenzentwicklung zur Digitalen Transformation in Unternehmen unbürokratisch durch die Bereitstellung finanzieller Mittel für die kommenden vier Jahre gewährleistet werden.
Um die bestehende Belegschaft im Digitalisierungsprozess von Unternehmen mitzunehmen und ihre Arbeit in veränderten, digitalisierten Prozessen weiterhin zu ermöglichen, ist eine „Digitaloffensive Weiterbildung“ nötig. Diese soll das Ziel verfolgen, einen Rechtsanspruch aller Arbeitnehmenden auf berufliche Weiterbildung zu verankern. Sie richtet sich vor allem an die Beschäftigten, deren berufliche Tätigkeiten im Zuge des digitalen oder technologischen Wandels wegfallen oder sich stark verändern.
Alle Inhalte von Studiengängen, nicht nur im MINT-Bereich, sollen kurzfristig über geeignete Medien allen Studierenden digital zur Verfügung stehen. Die Auffindbarkeit ist hierbei genauso zu berücksichtigen wie die Qualität der Medien und deren Verwendbarkeit im wissenschaftlichen Diskurs. Auch dies ist Teil eines nationalen Bildungsraums. Weiterbildung muss die vierte Säule unseres Bildungssystems werden, um die Prosperität unserer Volkswirtschaft bei sich dramatisch verändernden Rahmenbedingungen zu sichern. Denn davon hängt unser Wohlstand ab, der es uns ermöglicht, den sozial- ökologischen und kulturellen Umbau unserer Gesellschaft erfolgreich zu bewerkstelligen.
Der Mittelstand, das Rückgrat der deutschen Wirtschaft, steht vor Herausforderungen wie Fachkräftemangel, digitaler Transformation und komplexeren Marktanforderungen. Die technologische Entwicklung erfordert kontinuierliche Weiterbildung. Berufsbegleitende und praxisnahe Qualifizierungsangebote müssen ausgebaut werden. Digitale Tools und Plattformen sollten fest in Schulungen integriert werden, um Unternehmen bei der Digitalisierung zu unterstützen. Kooperationen zwischen Mittelstand, Berufsschulen und Hochschulen sind zu intensivieren, um passgenaue Weiterbildungslösungen zu schaffen. Eine gezielte Stärkung der Bildung im Mittelstand sichert die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen und die Zukunft der Volkswirtschaft. Gezielte Bildungsmaßnahmen und ein Ausbau der Weiterbildungsmöglichkeiten sind essenziell.
Die wirtschaftliche Bildung in Deutschland weist Defizite auf: Rund ein Drittel der Jugendlichen versteht grundlegende wirtschaftliche Zusammenhänge nicht. Kenntnisse zu Finanzplanung, Steuern oder unternehmerischem Denken fehlen oft, was sich in Studium und Beruf auswirkt. Wirtschafts- und Finanzthemen sollten bereits in der Sekundarstufe verpflichtend unterrichtet werden, inklusive Alltagskompetenzen wie Haushaltsplanung und Altersvorsorge. Schulen und Hochschulen müssen enger mit Unternehmen kooperieren, um durch Projekte, Workshops und Praktika theoretisches Wissen in die Praxis umzusetzen. Viele Lehrkräfte fühlen sich im Umgang mit wirtschaftlichen Themen unsicher. Gezielte Weiterbildungen und moderne Unterrichtsmaterialien sind entscheidend, um die Unterrichtsqualität zu verbessern. Die Förderung wirtschaftlicher Kompetenz ist eine Investition in die Zukunft der Jugend und die Innovationsfähigkeit der Gesellschaft.
In einer digitalisierten Welt müssen Bildungsprozesse mit technologischen Fortschritten Schritt halten. Schulen und Weiterbildungseinrichtungen sollten moderne Technologien nutzen, um den Lernprozess zu verbessern und Schüler auf die Arbeitswelt vorzubereiten. Online-Lernumgebungen bieten Flexibilität und ermöglichen individuelles Lernen. Multiple-Choice-Tests und adaptive Testverfahren liefern automatisiertes Feedback und passen sich dem Wissensstand der Lernenden an. Serious Games steigern durch spielerische Elemente Motivation und Lernerfolg. VR und AR ermöglichen realitätsnahe Simulationen, die theoretisches Wissen praktisch erlebbar machen. Technologie ersetzt keine Lehrkräfte, sondern ergänzt den Unterricht und macht Bildung effizienter und individueller. Die Integration moderner Technologien in den Bildungsprozess ist daher essenziell.
Bildung ist ein Wertschöpfungsprozess. Sein Ergebnis bestimmt die Entwicklung unserer Gesellschaft. Nur eine qualitativ hochwertige (Aus)Bildung kann unsere lebendige Demokratie gestalten, unsere Wirtschaft wettbewerbsfähig machen, unseren Wohlstand und unsere Zukunft sichern. Das ist die Messlatte für unser Bildungssystem.
Prof. Dr. Martin Wortmann | Generalsekretär der Bildungsallianz des Mittelstands