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Mittelständler:innen wenden in Deutschland durchschnittlich 218 Stunden pro Jahr für Steuerbürokratie auf - 79 Stunden mehr als beispielsweise in Frankreich.
Die steuerliche Belastung für Unternehmen und BürgerInnen nimmt zu. An unserem komplizierten Steuerrecht scheitern selbst Fachleute. Ein durchschnittlicher Mittelständler muss in Deutschland pro Jahr 218 Stunden für Steuerbürokratie aufwenden und damit beispielsweise 79 Stunden mehr als die Konkurrenz in Frankreich. Steuerentlastungen und Steuervereinfachungen stehen daher ganz oben auf der Liste der zu erledigenden Arbeiten einer neuen Bundesregierung. Besonders im Hinblick auf die Erbschaftsteuer spricht sich mehr als die Hälfte des Mittelstands gegen eine Steuer aus.
Gerade jetzt ist eine Wirtschafts- und Steuerpolitik der Entlastung und des Wachstums für unseren Mittelstand gefordert.
Reiner Holznagel | Präsident Bund der Steuerzahler
Die Gewerbesteuer muss gestrichen und die Kommunen stattdessen stärker an den Gemeinschaftssteuern beteiligt werden. Die Corona-Pandemie hat gezeigt, dass die Gewerbesteuer in einem modernen Steuersystem nichts zu suchen hat. Den Gemeinden entgingen durch eine schlechte Ertragslage vieler Unternehmen die Gewerbesteuer und sie mussten starke Einnahmeausfälle verzeichnen. Entlastung erhielten die Gemeinden nur durch Milliardenzahlungen des Bundes.
Dieser Systemwechsel würde automatisch die Schaffung von interkommunalen Gewerbegebieten ermöglichen, was sich günstig auf Flächenverbrauch und Verkehrswege auswirken würde.
Die Abschaffung der Erbschaftssteuer ist die einzige saubere Lösung, um den deutschen Mittelstand zu entlasten, keine Arbeitsplätze zu gefährden und die mittelständische Struktur der deutschen Wirtschaft zu erhalten. Im Jahr 2016 lag das Aufkommen der Erbschaftsteuer bei lediglich 6,9 Milliarden Euro und somit nicht einmal bei einem Prozent des Gesamtsteueraufkommens.
Der Solidaritätszuschlag in Höhe von 5,5 Prozent des Steuerbetrags aus Einkommen-, Kapitalertrag- und Körperschaftsteuer sollte sofort abgeschafft werden. Dies entlastet Unternehmen und BürgerInnen sofort und spürbar.
Wir sprechen uns gegen eine Reaktivierung der Vermögensteuer aus, weil sie eine der verwaltungsaufwendigsten Steuerarten ist und einen negativen Effekt auf Wachstum und Beschäftigung hat. Daher würde ihre Reaktivierung ein Minusgeschäft für den Staat bedeuten.
Kleine und mittelständische Unternehmen sind insbesondere in den Bereichen des Finanz- und Rechnungswesens häufig auf externe Dienstleistungen angewiesen. Wie sehr der eigene Aktionsradius bei der Auswahl dieser am Markt eingeschränkt ist, zeigt insbesondere das Nadelöhr bei der Beantragung finanzieller Hilfen in Zeiten der Corona- Pandemie. Mittelständler vertrauen, neben SteuerberaterInnen und RechtsanwältInnen, seit Jahren vor allem auf die Expertise von selbstständigen BilanzbuchhalterInnen und Buchführungsbüros. Es ist daher völlig unverständlich, dass diese ExpertInnen jedoch per Gesetz nur eingeschränkt als DienstleisterInnen für sie tätig werden dürfen. Künftig darf es keine Unterscheidung mehr geben, ob Unternehmen für zu erledigende Buchhaltungsaufgaben qualifizierte Fachkräfte als ArbeitnehmerInnen einstellen oder als externe DienstleisterInnen beauftragen. Eine Reform des Steuerberatungsgesetzes stellt den Unternehmen die benötigte Expertise von zusätzlich mehreren zehntausend Fachkräften zur Verfügung.
Existierende Instrumente zur finanziellen Unterstützung von Start-Ups und GründerInnen greifen aufgrund ihrer Beschränkungen und kaum praktikablen Fristen zu kurz und sind zu oft mit der flexiblen Entwicklung der aufstrebenden Unternehmen nicht in der Praxis vereinbar.
Eigenkapital wird gegenüber Fremdkapital systematisch diskriminiert. Nachdem bis zum Jahr 2009 Wertsteigerungen von Eigentumsanteilen an GmbHs und AGs, wie sie bei stark wachsenden und i.d.R. nicht ausschüttenden Unternehmen den großen oder sogar ganzen Teil der Rendite ausmachen, bei einer Haltedauer von mehr als zwölf Monaten steuerfrei waren, werden durch die Abgeltungssteuer InvestorInnen seit 2009 in Höhe von 25 Prozent ihrer Kapitaleinkünfte belastet (§32d Abs. 1 S. 1 EStG). Eine Abgeltungssteuerbefreiung beim Exit erhöht die Attraktivität in innovative Forschung und Entwicklung zu investieren.
Gewinne, die in mittelständischen Unternehmen verbleiben und reinvestiert werden, sollten steuerfrei gestellt werden. Für mittelständische Unternehmen ohne Zugang zum Kapitalmarkt ergäbe sich dadurch ein positiver Liquiditätseffekt, der Investitionen in Innovationen begünstigen würde.
Nach über einem halben Jahrhundert wurde im Jahr 2018 der Schwellenwert zur Sofortabschreibung geringwertiger Wirtschaftsgüter von 410 Euro auf 800 Euro angehoben. Damit der Mittelstand nicht wieder 50 Jahre auf eine Anpassung warten muss, fordern wir die Anhebungen des Schwellenwertes an die Entwicklung der Inflationsrate zu koppeln.
Die Gewerbesteuer in ihrer aktuellen Form, insbesondere durch die Hinzurechnungsregelungen, muss reformiert werden, da sie Unternehmen unverhältnismäßig finanziell belastet. Insbesondere in der Veranstaltungswirtschaft entstehen dadurch zusätzliche wirtschaftliche und administrative Hürden, die innovative und flexible Geschäftsmodelle wie temporäre Anmietungen oder Ressourcenteilung erschweren. Solche Modelle sind jedoch essenziell für die Branche und tragen entscheidend zur Nachhaltigkeit bei. Die Förderung von Miet- und Sharing-Konzepten kann die Lebensdauer von Produkten verlängern, den Materialverbrauch verringern und erhebliche Einsparungen bei Ressourcen und Emissionen ermöglichen. Eine Reform der Gewerbesteuer ist daher dringend erforderlich, um Unternehmen zu entlasten, nachhaltige Lösungen zu stärken und die Wettbewerbsfähigkeit der Veranstaltungsbranche langfristig zu sichern.
Wir brauchen die korrespondierende steuerliche Behandlung von Fremd- und Eigenkapital, indem fiktive Eigenkapitalzinsen die steuerliche Bemessungsgrundlage mindern.
Dr. Hans-Jürgen Völz, BVMW-Bundesgeschäftsleiter Volkswirtschaft