vier Jugendliche heben ein Mädchen quer hoch und lachen, Schriftzug Generation /

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München, 10.07.2024 Lesezeit: 8 Minuten

„Generation XYZ“ und „Frauen in MINT-Berufen“ – alles nur Vorurteile?

Wir haben uns gedacht, anstatt über "die Jugend" zu reden, sprechen wir doch direkt mal mit ihr. Erhellende Einblicke inklusive!

Autor: Wolfgang Thanner

Kinder können nicht lesen, Jugendliche wollen nicht ins Handwerk, Generation „XYZ“ kann man nicht im Betrieb brauchen, Frauen haben kein Interesse an MINT-Berufen. Alles Aussagen, die man aktuell sehr oft hört und die sich als repräsentativ festzusetzen scheinen. Aber ist das wirklich so?

Wir sehen großes Potential bei „den jungen“ für den Mittelstand und haben mit zwei jungen Berufstätigen gesprochen, die aus unserer Sicht genau das Gegenteil verkörpern.

Im Interview: Johanna Sanktjohanser (Produktentwicklung) und Lukas Westermair (Personal & Öffentlichkeitsarbeit) vom MIPM Mammendorfer Institut für Physik und Medizin GmbH (MIPM).

BVMW München: Aktuell wird häufig über „die junge Generation“ diskutiert als wäre diese unmotiviert, teilweise sehr ungebildet und für Ausbildung und Beruf kaum einsetzbar.

Wir haben uns im Rahmen einer AfterWork ZukunftsChancen Veranstaltung bei der IHK München kennengelernt. Und Sie haben mir einen extrem engagierten, motivierten und äußerst kompetenten Eindruck gemacht.

Was halten Sie von den Vorwürfen an Ihre Generation?

Johanna Sanktjohanser: Die Klischees über die Generation Z halte ich für deutlich übertrieben. Ja, ich will nicht ausschließen, dass es junge Erwachsene unserer Generation gibt, die diesem Klischee entsprechen. Aber oft wird das Klischee auf die ganze Generation übertragen.

Es gibt in unserer Generation sehr viele junge Menschen, die sich mit Kraft und Herzblut für ihre beruflichen Ziele einsetzen. Sie sind schon in der Ausbildung hoch motiviert und auch später ist es ihnen wichtig, ihr Bestes zu geben. Vor allem auch, um mit neuen kreativen Ideen aktiv an der Gestaltung der Zukunft des Unternehmens mitzuwirken.

Lukas Westermair: Ich finde, dass wir leider alle viel zu sehr über einen Kamm geschert werden. Der Fokus wird gerade in der Öffentlichkeit verstärkt auf negative Dinge & Entwicklungen gerichtet und daher werden positive Entwicklungen der Generation „XYZ“ oft durch die negativen Schlagzeilen in den Schatten gestellt.

Dieses Interview gibt uns genau die passende Gelegenheit, dass wir das öffentliche Bild der „jungen Generation“ wieder in das richtige Licht rücken können und nicht mehr so sehr von den wenigen, negativen Einzelfällen überschattet werden. Ich persönlich habe mich daher sehr über die Interviewanfrage gefreut.

Lukas Westermair

MIPM GmbH

Lukas Westermair (Personal & Öffentlichkeitsarbeit) vom MIPM Mammendorfer Institut für Physik und Medizin GmbH (MIPM)

Was hat Sie in Schule, Familie, Freundeskreis oder anderen Bereichen aus Ihrer Sicht positiv beeinflusst und was sollte man daraus lernen?

Johanna Sanktjohanser: Was mich vielleicht von anderen Jugendlichen unterscheidet, ist die Tatsache, dass ich schon von klein auf im landwirtschaftlichen Betrieb meiner Eltern täglich aktiv mitgeholfen habe. Dort hatte ich schon in jungen Jahren meine feste Aufgabe, die ich sorgfältig und gewissenhaft erfüllen musste.

Hier war es bereits notwendig, eine entsprechende Verantwortung zu übernehmen. Natürlich kann man das nur schwer mit der Verantwortung vergleichen, die man im Berufsleben hat, aber eine gewisse Eigenverantwortung in jungen Jahren kann im späteren Berufsleben helfen.

Diese Verantwortung kann man auch auf andere Bereiche übertragen, beispielsweise war ich in meiner Jugend auch in mehreren Vereinen aktives Mitglied. Auch hier kann man den Jugendlichen Aufgaben mit Verantwortung übertragen. Das müssen nicht einmal Aufgaben sein, die viel Zeit in Anspruch nehmen.

Lukas Westermair: Bei mir haben meine Eltern und mein älterer Bruder eine sehr entscheidende Rolle gespielt, denn sie sind ja für die meisten von uns Vorbilder und leben es einem ja schließlich vor. Auch mein weiteres Umfeld Freunde / Schulkammeraden haben natürlich mit reingespielt. Es heißt nicht umsonst, dass man das Ergebnis von den 5 Personen ist, mit denen man sich am meisten umgibt.

Außerdem möchte ich noch erwähnen, dass ich auf einer reinen Knabenrealschule war und auch das einen positiven Einfluss auf mich hatte, denn man konnte sich leichtgesagt einfach auf das wesentliche und den Unterricht konzentrieren. Ich war nicht damit beschäftigt der coolste sein oder etwa besonders gut bei den Mädchen ankommen zu müssen und das hat mir mein Leben in der Pubertät und vor allem in der Schule deutlich einfacher gemacht.

Aus meiner Erfahrung heraus kann man also lernen, dass das persönliche Umfeld eine wichtige Rolle spielt. Man kann sich sein Umfeld zwar nicht immer raussuchen, aber man kann es durchaus beeinflussen.

BVMW München: Viele Mittelständler fragen sich, wie sie junge Mitarbeitende am besten ansprechen können, so dass diese sich für eine Ausbildung oder einen Arbeitsplatz dort entscheiden.

Was hat Ihre Entscheidung für die MIPM maßgeblich beeinflusst, was hat also Ihr Arbeitgeber „richtig“ gemacht?

Johanna Sanktjohanser: MIPM ist sehr fortschrittlich, wenn es um die Mitbestimmung und Mitgestaltung der Mitarbeiter, insbesondere der jungen Mitarbeiter, geht.

Bei MIPM kann jeder seine Ideen einbringen und findet für alles ein offenes Ohr. Die Meinung eines Auszubildenden hat bei MIPM den gleichen Stellenwert wie die eines langjährigen, erfahrenen Mitarbeiters. So kommt es immer wieder vor, dass Prozesse und Arbeitsabläufe durch den Input neuer Mitarbeiter verändert und optimiert werden. Solche Dinge aktiv mitgestalten zu können, gibt mir eine gewisse Wertschätzung und auch Motivation mich mit vollem Einsatz für die Firma MIPM einzusetzen.

Ich möchte an meinem Arbeitsplatz nicht nur ausführender Teil der Arbeit sein, sondern aktiv mitgestalten können. Dieser Wunsch wird mir bei MIPM sehr gut erfüllt

Lukas Westermair: Die Antwort ist ganz einfach: Man muss sichtbar sein, um gesehen zu werden!
Man muss die junge Generation dort abholen, wo sie sich eh schon aufhält: Berufsinfotage; Schulen; Presse (Social Media); ….
Bei Ausbildungsanzeigen in der Zeitung wäre ich schon wieder vorsichtig, denn welcher jugendliche liest heute noch Zeitung, wenn er Zugriff auf ein Smartphone bzw. das Internet hat? Auch den Streuverlust und die unmögliche Auswertung der Werbewirksamkeit sollte man bei Zeitungsanzeigen für Ausbildungsstellen nicht vergessen.

Maßgeblich beeinflusst hat mich das Gesamtpaket bei MIPM damals. MIPM hat regelmäßig auf verschiedenen Events / Veranstaltungen / Plattformen auf sich aufmerksam gemacht und war auch lokal schon sehr bekannt.

In den Faschingsferien der neunten Klasse habe ich dann mein Praktikum bei MIPM absolviert und man hat mir bei meinem Abschlussgespräch direkt signalisiert, dass man mich unbedingt haben möchte und ich den Ausbildungsvertrag quasi direkt unterschreiben kann, was dann auch kurz darauf geschehen ist.Ich habe davor schon viele andere Praktika absolviert, aber das Bauchgefühl war nirgendwo so gut wie bei MIPM.

Bei MIPM merkt man zudem sehr schnell, dass den jungen Mitarbeitenden schon sehr früh extremes Vertrauen entgegengebracht wird.
In meinen Augen wird man als junge Arbeitskraft mit Vertrauen und nicht nur mit dem monatlichen Gehalt, sondern mit der Vielfalt der Aufgaben bezahlt, denn viele in meinem Alter laufen leider schon früh dem Ruf des Geldes hinterher und landen dann in irgendeinem Großkonzern, sind dort eine Nummer von vielen, zudem super unglücklich, können sich nicht entfalten oder gezielt weiterentwickeln und rechtfertigen alles mit einem „Wahnsinnsgehalt“…

Ich an deren Stelle würde das „Wahnsinnsgehalt“ eher mit einer Ausgleichszahlung für das Verbauen einer großen Zukunft im Arbeitsleben in Verbindung bringen.

Wenn Sie einen Wunsch frei hätten, was würden Sie sich als junge Mitarbeiter von einem Arbeitgeber wünschen, wie dieser Ihre Arbeit bzw. Ihren Arbeitsplatz noch besser gestalten könnte?

Johanna Sanktjohanser: Mein Wunsch wäre es, bereits jungen Menschen und Auszubildenden ein Mitbestimmungsrecht einzuräumen. Sie sind zwar Berufsanfänger und haben in der Regel noch keine Berufserfahrung, trotzdem haben sie Lebenserfahrung und können mit ihren Ideen den Betrieb auf neue, bessere Wege bringen.

Im Digiscouts-Projekt der IHK können Auszubildende beispielsweise eigenständig ein Digitalisierungsprojekt durchführen. Auch das komplette Projektmanagement liegt in den Händen der Auszubildenden. Wir haben an diesem Projekt teilgenommen und unsere Auftragsabwicklung eigenständig digitalisiert.

Solche Projekte motivieren junge Menschen und geben ihnen eine hohe Wertschätzung. Dies wirkt sich positiv auf das Image des Arbeitgebers aus

Lukas Westermair: Ich persönlich bin immer ein Freund davon, dass man bei der Arbeit auch ein Ziel vor Augen hat, denn dann verspürt man einfach nochmal eine ganz andere, innere Motivation.

Gerade für die jungen Mitarbeiter ist das Thema Weiterbildungs- und Aufstiegsmöglichkeiten sehr interessant und hat auch einen gewissen Anreiz.
Meiner Meinung nach sollten also alle Arbeitgeber ihren jungen Mitarbeitern Weiterbildungs- und Aufstiegsmöglichkeiten aufzeigen, um so deren Arbeit und deren Motivation besser gestalten zu können.
Gerade in jungen Jahren ist jeder Stillstand in der Weiterentwicklung verschenkte Zeit, denn man sollte neues Wissen aufsaugen wie ein Schwamm.

BVMW München: Frau Sanktjohanser – sie sind sozusagen eine Ausnahmeerscheinung als Mitarbeiterin in der Produktentwicklung, also einem sehr technischen Bereich. Nur 15 – 25 % (je nach Bundesland) beträgt der Anteil von Frauen in MINT-Berufen.

Johanna Sanktjohanser (Produktentwicklung) vom MIPM Mammendorfer Institut für Physik und Medizin GmbH (MIPM).

MIPM GmbH

Johanna Sanktjohanser (Produktentwicklung) vom MIPM Mammendorfer Institut für Physik und Medizin GmbH (MIPM).

Wie kam es, dass Sie sich für einen technischen Beruf entschieden haben und was gefällt Ihnen besonders daran?

Johanna Sanktjohanser: Bereits in der Schule spiegelte sich mein Interesse für die naturwissenschaftlichen und mathematischen Fächer. Ich hege seit jeher eine tiefe Faszination für Technik, und es war für mich von Anfang an klar, dass ich diese Leidenschaft auch in meinem zukünftigen Beruf ausleben möchte.

Obwohl ich gelegentlich kritische Meinungen aus meinem Umfeld darüber gehört habe und auch Fragen zur Kenntnis des starken Männeranteils in diesem Bereich gestellt wurden, habe ich stets fest an meine Entscheidung geglaubt.

Ich war mir bewusst, dass der Frauenanteil in meinem dualen Studium und später in meiner beruflichen Laufbahn möglicherweise gering sein würde. Doch erst als ich in einer Vorlesung saß und kaum eine Kommilitonin sah, wurde mir das Ausmaß dieses Ungleichgewichts wirklich bewusst. Trotzdem habe ich mich nicht entmutigen lassen und war zu jedem Zeitpunkt sicher, dass ich auf dem richtigen Weg bin.

Am besten gefällt mir, dass ich die Möglichkeit habe, aktiv an der Entwicklung neuer Technologien mitzuwirken und meinen Teil dazu beitragen kann. Es motiviert, wenn man sieht, dass die Technik, die man geschaffen hat, auch funktioniert und große Vorteile für andere aufweist. Dabei spielt es keine Rolle, ob man in einem technischen Beruf in der Entwicklung, Produktion oder im Service tätig ist.

Was denken Sie persönlich, wie man das Interesse von Mädchen an technischen Berufen wirklich stärken könnte?

Johanna Sanktjohanser: Ich denke, das Problem geht tiefer als nur darum, das Interesse von Mädchen an technischen Berufen zu steigern. Tatsächlich haben Mädchen und Jungen heutzutage gleichermaßen die Möglichkeit, einen technischen Beruf zu erlernen, aber viele Mädchen entscheiden sich trotzdem dagegen. Ich glaube, dass das Desinteresse der Mädchen an technischen Berufen bereits in ihrer Kindheit wurzelt.

In unserer Gesellschaft ist immer noch tief verankert, dass Technik eher etwas für Jungen ist. Wenn ich die Frage stelle, wer seiner Tochter eher eine Puppe als ein Bauklotzset kaufen würde, bin ich sicher, dass der Großteil sich für die Puppe entscheiden würde. Auch wenn Eltern oder die Gesellschaft es vielleicht nicht bewusst machen, wird das alte Klischee weiterhin vermittelt und aufrechterhalten. Dies setzt sich dann bei der Wahl des Schwerpunkts in den weiterführenden Schulen und der Berufswahl fort.

Wenn Mädchen als Teenager doch Interesse an Technik entwickeln, wird dies von ihnen selbst oft nicht wahrgenommen. Sie fühlen sich im Vergleich zu Jungen, die bereits länger ein technisches Verständnis aufgebaut haben, möglicherweise schon frühzeitig abgehängt.

BVMW München: Eine natürlich rein theoretische Frage:

Könnten Sie sich vorstellen, selbst ein Unternehmen zu gründen und zu leiten oder stellte sich diese Frage für Sie nie?

Johanna Sanktjohanser: Eigentlich habe ich mir diese Frage noch nicht gestellt. Aber wenn ich jetzt darüber nachdenken müsste, würde ich nein sagen.

Mitbestimmung und Mitgestaltung sind mir zwar sehr wichtig und durch die Gründung eines Unternehmens kann man auf jeden Fall viel bestimmen und gestalten. Aber mit wenig Berufserfahrung ein Unternehmen erfolgreich zu führen, sehe ich als sehr große Herausforderung und aktuell für mich zu riskant.

Ich bin jemand, der zunächst eine sichere Grundlage von Know-How und finanziellen Mitteln aufbauen würde, um dann mit minimiertem Risiko ein Unternehmen zu gründen.

Da bevorzuge ich eher mich im technischen Bereich weiter zu vertiefen und dort aktiv bei der Entwicklung neuer Innovationen mitzuhelfen.

Lukas Westermair: Meiner Meinung nach braucht man einfach mutige Leute, die sich das zutrauen würden, denn wenn niemand die Verantwortung dafür übernehmen möchte, dann sieht es in einigen Jahren nicht mehr so rosig um die deutsche Wirtschaft und auch den deutschen Arbeitsmarkt aus.

Ein sehr bekannter deutscher Unternehmer (Wolfgang Grupp) sagt immer so schön: „Wir brauchen Verantwortung in unser Wirtschaftsleben zurück!“.
Ich könnte mir diese Verantwortung mit Bezug auf Ihre Frage auf jeden Fall vorstellen.

Welchen Tipp würden Sie jungen Menschen, die vielleicht vor der Entscheidung stehen, was sie zukünftig beruflich machen, mit auf den Weg geben?

Johanna Sanktjohanser: Jeder sollte das tun, was er selbst will und nicht das, was andere von ihm erwarten. Bei Entscheidungen, die einen so einschneidenden Einfluss haben können, wird es immer Menschen geben, die dagegen sind oder einem davon abraten möchten.

Doch letztendlich ist man selbst derjenige, der den gewählten Weg geht und die Konsequenzen tragen muss. Es ist wichtig, sich von den Meinungen anderer nicht zu sehr beeinflussen zu lassen und seinen eigenen Überzeugungen zu folgen.

Lukas Westermair: Schaut euch verschiedene Dinge an und probiert euch einfach aus. In einem Praktikum werden euch genau diese Möglichkeiten geboten und mit der Zeit entwickelt ihr dann das richtige Bauchgefühl, was euch bei eurer Entscheidung enorm helfen wird.

Selbst wenn ihr am Ende eures Praktikums feststellt, dass der Beruf überhaupt nicht zu euch passt, habt ihr immer noch eine Erkenntnis mehr als davor. Für mich persönlich habe ich mit meiner Ausbildung zum Groß- und Außenhandelskaufmann alles richtig gemacht und folgendes sollte euch immer bewusst sein:

Eine Ausbildung kann euch niemand mehr wegnehmen und bietet euch die perfekte Grundlage für euer Berufsleben, denn auch nach einer Ausbildung stehen euch noch alle Türen offen.

BVMW München: Ganz herzlichen Dank für das Interview und die Einblicke! Wir wünschen Ihnen ganz viel Erfolg für Ihren weiteren beruflichen Weg!

Die Interviewfragen stellte Wolfgang Thanner, Leiter des Kreisverbandes in der Wirtschaftsregion München im Mittelstand.BVMW.

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