Alexander Fischer, photo & motion
Terminals: Ankerplätze für einen zukunftsweisenden Güterverkehr - 10. Juli 2023
Am 10. Juli organisierte der BVMW das Güterverkehr- und Logistik-Event “BVMW macht mobil: Terminals Ankerplätze für einen zukunftsweisenden Güterverkehr" im Kehler Hafen.Mit dabei war u.a. auch Winfried Hermann, Verkehrsminister des Landes Baden-Württemberg. Gastgeber der Veranstaltung war die Spedition Sackmann.
Die Begrüßung der Gäste fand durch Simon Sackmann, Gastgeber und Geschäftsführer der Sackmann Group, sowie Gertrud Hilser, Leitung der BVMW Wirtschaftsregion Nordbaden-Rhein-Neckar statt. Auch Wolfram Britz, Oberbürgermeister der Stadt Kehl, hieß die Gäste herzlich willkommen und betonte dabei die Relevanz des Standortes Kehl als Verkehrsknotenpunkt an der Grenze zu Frankreich.
Laut Claus Haberecht, BVMW Beauftragter, ist das Thema Güterverkehr in Politik und Öffentlichkeit bisher weitgehend unter dem Radar gelaufen, der Fokus habe stärker auf dem Individualverkehr gelegen. Daher hat der BVMW den Aktionskreis “Güterverkehr und Logistik" gegründet, um diesbezüglich konkrete Probleme und Lösungen herauszuarbeiten. Laut Haberecht seien zeitnahe Lösungen nur im DreiKlang zwischen Politik, Wirtschaft und Gesellschaft möglich.
Anschließend bat Herr Haberecht Winfried Hermann, Verkehrsminister des Landes Baden-Württemberg nach vorne.
Hermann griff den Punkt von Herr Haberecht auf, dass das Thema Güterverkehr in Politik und Öffentlichkeit zu wenig behandelt worden sei und betonte, dass zu der Verkehrswende auch der Transportverkehr gehöre.
Früher wäre viel mehr über Wasser und Schiene transportiert worden, das habe sich in den letzten Jahren leider geändert. Nun stimme “die Mischung” nicht mehr und die Straßen seien überfüllt. Viele Logistikstandorte wären in den letzten Jahren immer mehr reduziert und ausgelagert worden. Das wäre u.a. eine Folge der Vernachlässigung des Güterverkehrs und der Logistik von der Politik.
Es sei fatal gewesen, dass viele Güterbahnhof-Standorte abgeschafft wurden. „Terminals wie das im Kehler Hafen sind sehr wichtige Umschlagsorte", betonte Hermann. Die Verlagerung des Güterverkehrs von der Straße wieder mehr auf Schiene und Wasser sei dringend notwendig und würde aus ökologischer sowie ökonomischer Sicht nur Sinn machen.
Große Hoffnungen setzt Hermann auf den A5-nahen Standort Lahr für ein künftiges neues Güterverkehrsterminal. „Das muss uns gelingen." Mit viel Mühe hätten das Land und andere Akteure durchgesetzt, dass das neue dritte und vierte Gleis beim Ausbau der Rheintalbahn parallel zur A5 gebaut wird. Die sogenannte „Rollende Landstraße" (Rola) in Freiburg dagegen hat für Hermann kein Zukunftspotential mehr. Dass dort ganze Lkw auf Zügen gen Süden transportiert werden, sei wirklich nicht mehr modern.
An die anwesenden mittelständischen Unternehmer appellierte Hermann, die Verkehrswende voranzutreiben, indem sie bspw. mehr auf Elektro- Lkws setzen. Daimler Truck habe angepeilt, im Jahr 2022 von ihren E-Lkw 1000 Stück zu verkaufen - es seien aber nur 300 abgesetzt worden. Da gebe es also noch Potenzial nach oben.
Häfen könnten aus Hermanns Sicht in Zukunft als Lagerstandorte, für die Kreislaufwirtschaft oder bspw. als Energiehubs genutzt und so wieder profitabel gemacht werden.
Der Verkehrsminister stellte am Ende noch eine Bitte an den Mittelstand, aktiv die Transformation beim Staat zu fordern, sich zu beteiligen und mutig voranzuschreiten.
Anschließend an Hermann hielt Prof. Ingo Dittrich, Professor an der Hochschule Offenburg und Logistik-Experte einen Vortrag zu dem Thema “Nachhaltiger Transport von Klein- und Großmengen in BW”. Dittrich forderte für das geplante Güterverkehrsterminal in Lahr einen Schienenanschluss an den Kehler Hafen, das würde Unternehmen im Raum Lahr die Arbeit deutlich vereinfachen. Außerdem bemängelte Dittrich, dass die Rheintalbahn für den regionalen Güterverkehr nicht nutzbar sei. Der internationale Güterzugverkehr sei zwar wichtig, es könne aber nicht sein, dass keine Kapazitäten für einen einzigen regionalen Güterzugtransport pro Tag bestehen, etwa innerhalb der Ortenau, so der Experte.
Professor Dittrich nannte den Gästen auch einige Beispielkonzepte, die er gemeinsam mit Studierenden der Hochschule Offenburg erarbeitet hat. Z.b. den horizontalen Umschlag von Zug auf LKW oder sg. “Güter S- Bahnen” mit denen Personen-und Gütertransport vereint werden könnten.
Dipl. Ing. Roland Frindik von Marlo Consultants folgte mit seinem Vortrag zur Entwicklung der Binnenschifffahrt und deren Förderung. Herr Frindik machte auf die Niedrigwasser Problematik aufmerksam, denn der niedrige Wasserstand im Rhein mache vielen Unternehmen zu schaffen und die Rohstoffversorgung über die Binnenschifffahrt würde an manchen Standorten zeitweise vollständig zum Erliegen kommen. Die Flotte an kleineren Binnenschiffen sei ungenügend, da viele Schiffe zu alt und heruntergekommen sind. Laut Frindik besteht ein konkreter Neubaubedarf von 200-250 Schiffen bis 2030. Auch die Flotte der konstruktiv optimierten Binnenschiffe habe Probleme, u.a. da die ganzjährige Wirtschaftlichkeit auf Grund von Mengenverlust in der Binnenschifffahrt nicht gegeben sei.
Als Vorschlag für neue Verfahren und Märkte nannte Frindik u.a. Feederdienste in Ergänzung des Hinterlandverkehrs, kontinentale Transportrelationen insbes. für hochwertige Güter, neue Energieträger, insbesondere Wasserstoff und Derivate sowie Automatisierung des Fahrbetriebs und flexiblere Besatzungs- und Betriebsvorschriften.
Anschließend gab Uli Stichler, stellv. Hafendirektor des Hafens Kehls den Gästen einen Einblick in das Hafen Geschehen. Stichler betonte den hohen Stellenwert des Rheins in Europa für den Gütertransport und Handel. Mit zunehmend längeren Niedrigwasserperioden sei das Tiefergraben bzw. der Ausbau der Fahrstrecken dringend notwendig. Das jahrelange “Nichts-tun” auf dem Gebiet führe nun nach und nach zu mehr Krisen. Dialoge über die Problematik allein reichen nun nicht mehr aus, “Der Spaten muss auch in den Boden,” so Stichler.
In der von Claus Haberecht, BVMW, moderierten Talkrunde mit Verkehrsminister Winfried Hermann, Thorsten Krenz, Konzernbevollmächtigter der Deutschen Bahn für BW, Simon Sackmann, Geschäftsführer der Sackmann Group sowie Harald Schlegel, Managing Director der Kombi-Terminal Ludwigshafen GmbH wurden einige Themen noch einmal aufgegriffen und neu beleuchtet.
Aus der Sicht von Minister Hermann müsse man in den nächsten 20 Jahren die Prioritäten ganz klar auf die Sanierung von Infrastrukturen legen und den Erhalt vor den Aus-und Neubau stellen.
Hermann betonte auch, dass das, was man in den letzten 50 Jahren nicht bzw. falsch gemacht habe, jetzt nicht in 2 Jahren wiedergutgemacht werden könne. Er plädierte daher an das Publikum, Geduld zu haben. Unternehmer müssen aber im Umkehrschluss auch laut werden und Veränderung fordern, damit Druck auf die Politik ausgeübt wird.
Thorsten Krenz von der DB ist der Meinung, die Klimapolitik habe gezeigt, dass eine Veränderung durch eine Verkehrstranformation dringend notwendig sei und dass nur durch die Beteiligung vom Schienenverkehr möglich sei. Es seien mehr Investitionen in den Schienenverkehr notwendig, um etwas voranzutreiben. Eine Problematik laut Krenz sei auch, dass in den letzten Jahren zu viele Flächen der Bahn verkauft worden seien und es nun an Platz fehle um den Ausbau voranzutreiben. Man könne aber auch nicht alles auf die Schiene abwälzen. Nur durch Zusammenarbeit von Straßen-, Hafen- und Schienenverkehr könne man aktiv Lösungen finden und umsetzen. Es gibt aber auch positive Neuigkeiten:
“Endlich passiert etwas”, so Krenz. Die Öffentlichkeit und der Staat würden nun mehr Aufmerksamkeit und Energie in Lösungsansätze stecken und die Sanierung und der Ausbau von Strecken würde langsam vorangehen. In Zukunft seien aber weitere Investitionen auch von Seiten der Bundesregierung notwendig, um die Infrastrukturen zu sanieren und auszubauen. Die Infrastruktur sei laut Krenz der Zukunftstreiber des Landes.
Harald Schlegel betonte, dass in Zukunft mehr auf kombinierten Verkehr und Innovation gesetzt werden solle. Die letzte Meile ohne LKWs zurückzulegen sei schwer, allerdings wären die letzten 50-100 Kilometer eine optimale Reichweite für elektrische Fahrzeuge.
Simon Sackmann erzählte den Gästen, dass für seine Spedition der Gütertransport auf Schienen aufGrund von zu hohen Beiträgen und Unzuverlässlichkeit nicht wirtschaftlich war und daher wieder eingestellt wurde. Er betonte allerdings, dass es schon viele gute Lösungen gebe und man gemeinsam mit der Bahn daran arbeiten müsse, um dies in Zukunft wirtschaftlich tragfähig zu machen. Herr Sackmann ist auch der Meinung, man brauche als Unternehmen vor allem die Kommunen vor Ort, um Themen schneller umgesetzt zu bekommen.
Gegen Ende der Veranstaltung gab Josef Stumpf, Leiter Wirtschaftsregion, ein Fazit zu dem Plenum. Es brauche Zeit und Geld. Man müsse nun regionale Projekte gezielt in die Wege leiten vorantreiben. Nur wenn man gemeinsam mit Politik, Wirtschaft und Wissenschaft ins Gespräch gehe, würden Probleme sichtbar gemacht und Prioritäten könnten neu gesetzt werden. Man müsse die Probleme sammeln und gebündelt an die Politik weitergeben.
Wenn Sie Interesse haben sich diesbezüglich zu engagieren oder neue Themen einbringen möchten melden Sie sich gerne bei uns: nordbaden-rhein-neckar@bvmw.de
Oder schauen Sie auf der Seite des Aktionskreises Güterverkehr und Logistik vorbei.