von Sirko Rosenberg
Unser Mitglied Gerhard Leypoldt plädiert für eine stärkere Beachtung dieses Landes in Südostasien
Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hat bereits prognostiziert, dass bis zum Jahr 2035 bis zu sieben Millionen Fachkräfte im deutschen Arbeitsmarkt fehlen werden. Eine Lösung im Kampf gegen den Fachkräftemangel: Mitarbeitende aus Vietnam.
Ein Beitrag von Gerhard Leypoldt
In Deutschland und anderen westlichen Ländern sollte man sich gelegentlich daran erinnern, was den wirtschaftlichen Aufstieg vor rund 250 Jahren ermöglicht hat: Neben der Industrialisierung und der Beherrschung neuer Technologien war es eben gerade auch das Bevölkerungswachstum. Die Zukunftsaussichten für Arbeitsmarkt und Bevölkerungsentwicklung der (noch) viertgrößten Volkswirtschaft der Welt sind düster. Der fortschreitende demographische Wandel wird laut Berechnungen des statistischen Bundesamtes dazu führen, dass alleine durch die zunehmende Alterung die Zahl der pflegebedürftigen Menschen in 30 Jahren um 37% gestiegen sein wird. Das zur Bundesagentur für Arbeit gehörende Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hat bereits prognostiziert, dass bis zum Jahr 2035 bis zu sieben Millionen Fachkräfte im deutschen Arbeitsmarkt fehlen werden.
Global Recruiting dürfte vielen deutschen Unternehmen mittlerweile ein Begriff sein - zumindest anhand des bekanntesten Beispiels der seit Jahren angestrebten Zuwanderung indischer IT-Fachkräfte nach Deutschland (die auch Kanzler Scholz bei seinem kürzlichen Indien-Besuch erneut thematisiert hat).
Dabei konnte man in der deutschen Politik bislang eine erstaunliche Bandbreite erleben, wenn es um das Thema Fachkräftemangel geht. Auf der eher linken Seite des Spektrums hängt man dem (m.E. naiven) Glauben nach, man könnte jeden der seit 2015 ins Land gekommen ist, im Handumdrehen zu einer Fachkraft machen. Und auf der anderen Seite des Spektrums gibt es die (m.E. nicht weniger naive) Meinung, man könne den Fachkräftemangel durch die 2,5 Mio. Arbeitslosen im Inland bekämpfen und ganz oder teilweise auf Fachkräfte aus dem Ausland verzichten - auf die Frage warum das nicht schon seit vielen Jahren passiert sei, bleibt man die Antwort stets schuldig.
Die Situation (wie ich auch aus meinen letzten Besuchen weiß) im Land spricht längst eine ganz andere Sprache. Restaurants führen wegen Personalmangel zusätzliche Ruhetage ein, Bedienungstheken in Supermärkten sind nachmittags geschlossen und man wartet teils bis zu einem Jahr auf manchen Handwerker. Aus dem Pflegebereich ist das Problem ohnehin seit Jahren bekannt. Und auch aus Mittelstand und Industrie hört man unisono, dass händeringend Fachkräfte gesucht werden.
Vakanzzeiten für offene Stellen von um die 200 Tage (Krankenpfleger, Maler, Kraftfahrer etc.) und deutlich darüber im Metallbau (238 Tage) in der Altenpflege, Sanitär/Heizung/Klima und Bauindustrie (über 250 Tage) zeigen eindrucksvoll, dass Rekrutierung in Deutschland und der EU alleine längst nicht mehr reichen. Handwerk, Mittelstand und Industrie müssen sich hier globaler aufstellen und Global Recruiting darf sich nicht mehr nur auf hochbezahlte IT- Spezialisten beschränken.
Die Geschichte zeigt: Länder mit größerer Bevölkerung haben mehr Einfluss, ökonomische Potenz und bringen tendenziell auch mehr Innovationen hervor. Deutschland wird also seine Bevölkerung mit Fachkräften auffüllen müssen, wenn es nicht zunehmend in der Bedeutungslosigkeit versinken möchte.
Andere Länder gehen da deutlich cleverer vor. Statt einer ideologisch geführten Zuwanderungsdebatte und einer (wie ich aus dem eigenen Umfeld weiß) übertriebenen Bürokratie, die genau die arbeitswilligen und qualifizierten Personen fern hält, orientieren sie sich an den Bedürfnissen ihrer Wirtschaft.
In Japan leben beispielsweise 450.000 Vietnamesen die in der Pflege, dem Einzelhandel, in Hotels und Gastronomie und in der Industrie arbeiten. Die Regierungen beider Länder haben dazu Verträge geschlossen und es werden Kontingente festgelegt. In Südkorea lebten 2021 200.000 Vietnamesen. 55% werden in der Industrie, 15% in der Bauindustrie und 15% in der Agrarwirtschaft beschäftigt. Auch hier ist eine unbürokratische Kontingentierung im Hintergrund.
In Deutschland leben etwa 188.000 Menschen mit vietnamesischer Abstammung (40.000 davon sind deutsche Staatsbürger), sie gehören zu den am besten integrierten Migrantengruppen. Die zweite Generation spricht fließend Deutsch und 20% mehr Kinder aus dieser Gruppe gehen aufs Gymnasium als deutsche Kinder. Etwa 55% der vietnamesischen Migrantengruppe ist weiblich.
Ich arbeite seit 16 Jahren in Vietnam und seit 13 Jahren lebe ich auch dort. Als Unternehmer, Investor und CEO habe ich mehrere Unternehmen (unter anderem einen mehrfach ausgezeichneten Produktionsbetrieb) aufgebaut. Ich habe unzählige Interviews mit Bewerben geführt, Teams gebildet und als Trainer hunderte Menschen aus Vietnam trainiert. Zum Potenzial vietnamesischer Teammitglieder: Die Menschen sind jung, aufstiegsorientiert, motiviert, lernwillig, leistungsbereit und begeistern sich für Technologie.
Deutschland hat in Vietnam immer noch einen guten Ruf, dafür haben nicht zuletzt auch Vertragsarbeiter aus der DDR und Kriegsflüchtlinge aus der BRD gesorgt - Made in Germany gilt hier etwas. Und die deutschen Tugenden erfreuen sich mittlerweile in Vietnam teilweise höherer Beliebtheit als in ihrem Ursprungsland. Vietnamesen werden gelegentlich auch als die „Preußen Asiens“ bezeichnet.
Das vietnamesische Volk ist sehr bildungsorientiert und gute kostenlose oder günstige Schulen und Hochschulen in Deutschland oder das duale Ausbildungssystem sind hier wichtige Faktoren. Auch als Unternehmen, das vietnamesische Fachkräfte oder Azubis beschäftigt, empfiehlt es sich besonders, auf Bildungsangebote aber auch auf die Integration in das bestehende Team zu achten.
Vielleicht sollte man sich in Deutschland Japan oder Südkorea als Vorbild nehmen und verstärkt Fachkräfte und Azubis aus Ländern anwerben, die bewiesen haben, dass sie sich sehr gut integrieren können und eine Bereicherung für den Arbeitsmarkt und die Gesellschaft sind. Vietnam ist hier sicher als eine gute Adresse für die Anwerbung von Fachkräften anzusehen.
Es bleibt ein langer Weg (Bürokratieabbau, neues Fachkräfteeinwanderungsgesetz), trotzdem habe ich mich entschlossen, einen Beitrag zu leisten und gemeinsam mit der vietnamesischen Tin Gruppe (die seit zwei Generationen zigtausend Fachkräfte aus Vietnam ins Ausland vermittelt hat) und andern Partnern aus Vietnam und Deutschland dieses Thema aufzugreifen und Unternehmen dabei zu unterstützen, mehr Fachkräfte und Azubis aus Vietnam nach Deutschland zu bringen.
Wir bringen jahrzehntelange Erfahrung in diesem Bereich, im interkulturellen Management, im Training und in der Unternehmensberatung mit. Wir kennen beide Länder genauso gut wie die Bedürfnisse beider Seiten. Weil wir die vietnamesische Mentalität gut kennen, wissen wir, wie wichtig es ist, dass sie sich in ihrem neuen Team wohlfühlen und dass sie etwas lernen und sich weiterbilden können. Und auf der anderen Seite wissen wir, dass es für mittelständische Unternehmen nicht gerade einfach ist, global zu rekrutieren.
Wir wollen dabei helfen, win-win Situationen für deutsche Unternehmen und vietnamesische Fachkräfte und Azubis zu schaffen, indem wir sie nicht nur zusammenbringen, sondern zusammenschweißen. Sprechen Sie mich (https://www.linkedin.com/in/ge... ) gerne jederzeit per DM bei LinkedIn an, wenn das Thema für Ihr Unternehmen interessant ist.