Wirtschaftsverbände fordern neue Lösung für das Nachfolgeproblem

Canva

Themen

19.06.2023

Wirtschaftsverbände fordern neue Lösung für das Nachfolgeproblem

Vor allem dem Mittelstand würde eine eigenständige neue Rechtsform helfen.

Die Initiative für eine neue Rechtsform für Unternehmen mit gebundenem Vermögen bekommt Rückenwind: 22 Wirtschaftsverbände, darunter auch der Bundesverband mittelständischer Wirtschaft (BVMW), haben sich zusammengeschlossen, um von der Bundesregierung die baldige Einführung der Rechtsform zu fordern.

Die Verbände, die insgesamt für mindestens 100.000 Mitglieder sprechen, begrüßen, dass die Bundesregierung das Thema angehen will. Im Koalitionsvertrag der Ampel-Parteien heißt es: „Für Unternehmen mit gebundenem Vermögen wollen wir eine neue geeignete Rechtsgrundlage schaffen, die Steuersparkonstruktionen ausschließt.“ Das könne nur die Einführung einer Gesellschaft mit gebundenem Vermögen leisten, eine GmgV, so die Verbände. Die Herausforderung sei nur dann geschafft, „wenn eine unbürokratische, einfache Lösung, eine eigenständige Rechtsform etabliert wird, die von Unternehmern ohne große Beratung umgesetzt werden kann“, heißt es in dem heute veröffentlichten Papier der Verbände. Politiker und Politikerinnen aller drei Ampel-Parteien reagierten am Morgen bei einer Pressekonferenz positiv auf die Forderung.

Neue Lösungsoption für das drängende Nachfolgeproblem

Insbesondere für das drängende Nachfolgeproblem im deutschen Mittelstand verspricht eine eigenständige neue Rechtsform Abhilfe. Laut KfW stehen aktuell 560.000 Nachfolgen an. Nur noch weniger als die Hälfte davon gelingt in der Familie, 190.000 drohen zu scheitern. Diesen droht laut KfW die Auflösung. Oftmals auch deshalb, weil ein Verkauf an den privaten Vermögensverhältnissen fähiger Nachfolger scheitert. Die GmgV böte Unternehmen die Möglichkeit, den Pool potenzieller Nachfolger erheblich zu erweitern und die Unternehmensnachfolge unabhängig von der genetischen Familie oder der individuellen Vermögenslage zu gestalten, indem Anteile zum Nennwert weitergegeben würden und nicht vererbbar wären.

Auch für nicht-Exit-orientierte Start-ups sowie Sozialunternehmen böte die GmgV mehr Gestaltungsfreiheit, Unternehmen unabhängig und wirtschaftlich nachhaltig aufzubauen, indem Gewinne rechtsverbindlich im Unternehmen verbleiben und seiner Entwicklung dienen.

Start-ups, Digitalwirtschaft und Mittelständler ziehen an einem Strang

Dass eine solche Rechtsform für Unternehmen unterschiedlichster Branchen und Größen relevant ist, zeigt die Diversität der Unterzeichnenden: vom Bundesverband für mittelständische Wirtschaft BVMW und den Verband deutscher Unternehmerinnen über den Deutschen Startup-Verband, den Digitalverband BVDW und das Social Entrepreneurship Netzwerk Deutschland SEND bis hin zum Blockchain-Verband oder auch Landwirtschafts- und ersten IHK-Verbänden.

Es wird erwartet, dass sich weitere Verbände anschließen. Aus Sicht der Verbände ist der Bedarf an einer neuen Rechtsform vor allem in drei Unternehmensgruppen besonders hoch: im Mittelstand, bei nicht-Exit-orientierten Start-ups sowie in Sozialunternehmen.

Markus Jerger, Vorsitzender der Geschäftsführung des Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW), betont, warum die neue Rechtsform wichtig für den Mittelstand ist: „Der Wirtschaftsstandort Deutschland muss für den Mittelstand attraktiv bleiben, denn dieser ist das Rückgrat und der Ausbildungsgarant der Wirtschaft. Dafür müssen wir das drängende Nachfolgeproblem angehen. Eine neue Rechtsform, die Anteile zum Nennbetrag festsetzt und Betrieben erlaubt, die Nachfolgefrage auch außerhalb der Familie einfacher zu regeln, ohne dass geeignete Kandidaten und Betriebe sich tief verschulden müssen, ist da eine sehr gute Option. Der Mittelstand braucht diese Rechtsform dringend, denn gerade der Mittelstand braucht eine tragfähige Zukunft auch für die Nachfolger von Unternehmen.“

Kernelemente einer „Gesellschaft mit gebundenem Vermögen“

Die Verbände umreißen vier Eckpunkte, die ihrer Meinung nach für eine neue Rechtsform unabdinglich sind:

  1. eine „unabänderliche Vermögensbindung“,
  2. ein „aktives Gesellschafterverständnis“ und die Weitergabe der Anteile zum Nennwert,
  3. eine Offenheit für jedwede unternehmerischen Zielsetzungen und Zwecke sowie
  4. die „bestmögliche Absicherung“ der Vermögensbindung mithilfe eines Aufsichtsverbands.

Vor allem Vermögensbindung, ein Aufsichtsverband und die Weitergabe zum Nennwert machen die Einführung einer eigenständigen neuen Rechtsform erforderlich. Eine Eingliederung in bestehende Rechtsformen, beispielsweise im GmbH-Recht, würde dem Bedarf nicht ausreichend Rechnung tragen.

Zudem sei die Rechtsform steuerrechtlich genauso zu behandeln wie alle anderen Rechtsformen und dürfe keinesfalls als Steuersparmodell missbraucht werden können. „Die GmgV würde den Kanon der Rechtsformen ergänzen, keine andere Rechtsform ersetzen oder schlechter stellen.“ Sie fungiere dann als eine wichtige Option zur Stärkung der Vielfalt, des Wettbewerbs und der Innovationskraft.

„Wir sehen in der im Koalitionsvertrag der Bundesregierung geplanten neuen Rechtsform, der Gesellschaft mit gebundenem Vermögen (GmgV), eine große Chance für die soziale Marktwirtschaft, für die Stärkung unabhängiger Unternehmen und damit für den Wirtschaftsstandort Deutschland“, heißt es in dem Papier.

Verwandte Artikel