Zehntausende Meldepflichten, Regelungen, Verordnungen und Vorschriften – im Gesetzes- und Regelungsdschungel kann man sich leicht verlieren. Allein das Bundesrecht stützt sich auf rund 90.000 Einzelvorschriften, der Deutsche Bundestag verabschiedet pro Wahlperiode rund 500 neue Gesetze – viele davon mit direkter Auswirkung auf mittelständische Unternehmen.
Anläufe zur Vereinfachung von Gesetzen und dem damit einhergehenden Bürokratieabbau werden immer wieder unternommen. Gesetze zum Abbau von Gesetzen wie das „Bürokratieabbaugesetz“ sollen bspw. kleinere Unternehmen von umfangreichen Aufzeichnungs- und Buchführungspflichten, Kleinstbetragsrechnungen oder komplizierten Abschreibungsregelungen entlasten. Dies bringt einerseits eine Entlastung, die sich auch finanziell positiv niederschlägt. Andererseits wird die Regelungsdichte insgesamt gesehen immer enger, nicht zuletzt ausgelöst durch Einzelpersonen und Interessengruppen, die ihre Interessen gefährdet sehen. Eine umfassende Kenntnis betrieblicher Rechtsangelegenheiten ist umso wichtiger für kleine KMU, die sich keine eigene Rechtsabteilung leisten können, und in denen der Geschäftsführer mehrere Qualifikationen in Personalunion abdecken muss.
Die Regelungswut der EU-Gesetzgebung erreichte in der öffentlichen Wahrnehmung ihren Höhepunkt mit der Festlegung des Krümmungsgrades von Gurken. Dass diese Verordnung allerdings an den Schreibtischen von Einzelhändlern und Landwirtschaftsverbänden ersonnen und von der EU lediglich in Form gegossen wurde, ist den meisten Kritikern nicht bekannt. Die Wirtschaft verlangte nach standardisierten Güteklassen, um den Preis besser verhandeln und ein standardisiertes Produkt einfacher transportieren zu können. Als die Verordnung 2009 abgeschafft wurde, wollten sie 15 von 27 Mitgliedsstaaten behalten. Letztlich geht es um die Frage, wie sich gesellschaftliche Werte mit weniger Gesetzen regeln lassen. Mit einem Regelungsrückbau geht auch immer die Annahme einer entstehenden Rechtsunsicherheit einher. Dabei steigt andererseits der Wirkungsgrad von Gesetzen nicht etwa mit ihrer Regelungsdichte, sondern nimmt ab, stehen sie doch im Spannungsfeld zwischen Gerechtigkeit und Moral.
Für Unternehmer ist die Wahl der Rechtsform richtungsweisend sowohl bei der Unternehmensgründung als auch beim alltäglichen Geschäftsbetrieb. Das deutsche Steuerrecht unterscheidet hinsichtlich der Ertragsbesteuerung von Unternehmen zwischen Einzel-/Personenunternehmen sowie Kapitalgesellschaften. Erstere stellen keine selbstständigen Steuersubjekte dar, Gewinne und Verluste unterliegen dem Unternehmer bzw. den Mitunternehmern selbst. Kapitalgesellschaften hingegen sind selbstständige Steuersubjekte, der erwirtschaftete Gewinn auf Ebene der Gesellschaft unterliegt der Körperschaftsteuer, Ausschüttungen müssen erneut mit der Abgeltungssteuer versteuert werden. Neben steuerlichen Implikationen hat die Wahl der Rechtsform auch einen gesellschaftlichen Aspekt. Sie hat direkte Auswirkungen auf die Art der Geschäftsführung, das Mindestkapital, die Haftung und die Anzahl von Gesellschaftern. Grundsätzlich sind drei Entscheidungsparameter für die Rechtsform ausschlaggebend: steuerliche, rechtliche und betriebswirtschaftliche. Zu steuerlichen Erwägungen gehören bspw. Verlustberücksichtigungen oder die Höhe der Steuerbelastung. Im Hinblick auf den rechtlichen Rahmen geht es insbesondere um haftungsrechtliche Aspekte. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht sind insbesondere Organisation und Struktur, Kosten und Finanzierung wie mögliche Imageeffekte von Relevanz.
Die bürokratischen Anforderungen an Unternehmen sind stetig
gewachsen, allein die Informationspflichten aus Bundesgesetzen
verursachen Kosten in Milliardenhöhe. So schätzt das Statistische
Bundesamt die Bürokratiekosten der gesamten deutschen Wirtschaft auf
über 50 Milliarden Euro jährlich. Der BVMW setzt sich daher seit langem
dafür ein, in allen Bereichen massiv bürokratische Hürden für
Unternehmen abzubauen.
Die zentrale Forderung des BVMW nach dem
Abbau von Bürokratie wurde mit den Bürokratieentlastungsgesetzen I und
II von der Bundesregierung aufgegriffen. Diese entlasten besonders
kleine und mittlere Unternehmen. Dazu wurde unter anderem eine „One in,
one out“-Regelung eingeführt, mit der sich die Bundesregierung politisch
verpflichtet, Belastungen, die der Wirtschaft durch neue Regelungen
entstehen, binnen eines Jahres an anderer Stelle gleichwertig abzubauen.
Beim geplanten Bürokratieentlastungsgesetz IV setzt sich der BVMW für
die Einbeziehung Brüsseler Bürokratievorgaben, sowie einen weiteren
Abbau der Bürokratie ein.
Die Bewilligung von Sozialleistungen durch staatliche Behörden
war an unterschiedliche Bescheinigungen der Arbeitgeber gebunden. Um den
Behörden einen einfacheren und schnelleren Zugriff zu ermöglichen,
wurde 2010 der elektronische Entgeltnachweis (ELENA) verpflichtend
eingeführt. Alle Arbeitgeber mussten damit monatlich Entgeltnachweise an
die „zentrale Speicherstelle“ melden. Der Aufwand für die Erhebung und
die Speicherung von rund 40 Millionen Datensätzen pro Monat stand jedoch
in keinem sinnvollen Verhältnis zu den möglichen Vorteilen eines
zentralen Datenzugriffs durch die Sozialbehörden.
ELENA wurde wieder
eingestellt, wie es der BVMW bereits 2010 als erster Verband gefordert
hatte. Die Unternehmen wurden damit von den durch ELENA verursachten
Bürokratiekosten entlastet.
Die zur Bekämpfung des Umsatzsteuerbetrugs bei Lieferungen innerhalb der EU eingeführte Gelangensbestätigung bedeutet eine zusätzliche Belastung für Klein- und Mittelbetriebe. Anstelle des ursprünglich vorgeschlagenen, bürokratisierten Verfahrens ist eine pragmatischere Variante in Kraft getreten. Diese erlaubt beispielsweise die elektronische Übermittlung der Daten und die Verwendung mehrerer Einzeldokumente. Der BVMW hatte sich von Beginn an für eine unbürokratische Lösung ausgesprochen.
Die Erstellung des Jahresabschlusses war für Unternehmen
aufwändig und zeitintensiv. Die seit 2013 geltende E-Bilanz hätte in
ihrer ursprünglichen Form den Unternehmen zusätzliche Bürokratie
aufgebürdet.
Die vom BVMW angeregte Reduzierung von
Bilanzierungspflichten wurde in das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz
aufgenommen: nicht kapitalmarktorientierte Einzelunternehmer mit einem
Umsatz von bis zu 500.000 Euro und Gewinnen von bis zu 50.000 Euro
werden sogar gänzlich von Bilanzierungspflichten befreit. In Abstimmung
mit dem Bundeswirtschaftsministerium konnten bei der E-Bilanz wichtige
Nachbesserungen erreicht werden, die den bürokratischen Aufwand
verringern.
Die Gründung von Gesellschaften war langwierig, kostspielig und bürokratisch.
Unternehmer können dank der Einführung der Unternehmergesellschaft –
eine existenzgründerfreundliche Variante der herkömmlichen GmbH – ab
einem Stammkapital von einem Euro rascher und mit geringerem
finanziellen Aufwand ein Unternehmen gründen. Außerdem hat das
Wirtschaftsministerium längst überfällige bürokratische Entlastungen für
Gründer, wie die vierteljährliche statt monatliche
Umsatzsteuervoranmeldung, umgesetzt.
Das Investitionsklima in Deutschland ist stark ausbaufähig.
Zudem besteht erheblicher Nachholbedarf bei der Digitalisierung,
insbesondere im Mittelstand. Die Grenze für die Sofortabschreibung
geringwertiger Wirtschaftsgüter war rund 50 Jahre nicht der
Preisentwicklung angepasst worden.
Die Grenze zur Sofortabschreibung
geringwertiger Wirtschaftsgüter wurde zum Jahresbeginn 2018 von 410 auf
800 Euro fast verdoppelt, nachdem sich Mario Ohoven bei den damaligen
Ministern Schäuble, Nahles und Gabriel nachdrücklich dafür eingesetzt
hatte. Jetzt können auch kleinere Betriebe zum Beispiel in ihre
IT-Ausstattung investieren und unmittelbar Steuern sparen. Wir setzen
uns weiterhin für die Erhöhung des Schwellenwertes ein. Auf unseren
Druck hin wird im Rahmen des Bürokratieabbaugesetzes IV über die
Anhebung des Schwellenwertes auf die ursprünglich von uns geforderten
1.500 Euro diskutiert.
Die Definition von kleinen und mittleren Unternehmen der
EU-Kommission ist sehr viel strenger, als die in Deutschland gängige
Definition des Instituts für Mittelstandsforschung (IfM)
in Bonn. Dadurch werden viele KMU von öffentlicher Unterstützung
ausgenommen, beziehungsweise sind von Regulierungen, trotz ihrer
vergleichsweise geringen Betriebsgröße, betroffen.
Die EU-Kommission
überprüft endlich die Schwellenwerte zur Definition von KMU. Die
europäischen Werte sollen an die deutschen Empfehlungen des IfM Bonn
angepasst werden. Der BVMW setzte sich lange für die europäische
Ausweitung der Definition ein und beteiligte sich mit einer
Stellungnahme am Konsultationsprozess der Europäischen Kommission.