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KfW-Bildarchiv | Thorsten Futh
In finanziell unsicheren Zeiten verschreibt ein Positionspapier der KfW-Bank Staat und Unternehmen eine bittere Pille: Noch mehr Geld in die Hand nehmen!
Deutschland ist im Krisenmodus. Krisenmanagement und Resilienz sind die aktuellen Herausforderungen für den deutschen Mittelstand. Dr. Fritzi Köhler-Geib, Chefvolkswirtin der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), hat im November 2022 das Positionspapier „Ein Investitionsschub für die Transformation – was ist konkret nötig?" vorgestellt, in dem sie eine langfristige Weichenstellung fordert. Im Interview erläutert sie ihre Ideen.
DER Mittelstand.: Frau Dr. Köhler-Geib, was sind Ihrer Ansicht nach die größten Herausforderungen für den deutschen Mittelstand?
Dr. Fritzi Köhler-Geib: Der Klimawandel ist die größte Herausforderung für Gesellschaft und Wirtschaft in unserer Zeit. Daher sind die grüne Transformation und der digitale Umbau unabdingbar. Sie können Unabhängigkeit von der Versorgung mit fossilen Energieträgern und ein hohes Wertschöpfungspotenzial in grünen und digitalen Wachstumsmärkten schaffen.
Bevor solche Wachstumsmärkte entstehen, muss dieser Umbau gestaltet und finanziert werden.
In der Tat sind dazu umfangreiche Investitionen auf drei Ebenen notwendig: Der Staat muss neben der Formulierung entsprechender Zielbilder die wirtschaftspolitischen und regulatorischen Rahmenbedingungen vorgeben und selber teilweise Anschubinvestitionen bei der Infrastruktur leisten und als Investor in Humankapital auftreten. Die Privatwirtschaft muss den Großteil der Investitionen stemmen, die Unternehmen sind gefragt, ihre Produktion klimaneutral zu gestalten, ein wichtiger Beitrag fällt hier technologischen Neuerungen zu. Private Haushalte müssen den Umbau hin zur Klimaneutralität vor allem durch klimagerechtes Sanieren, aber auch Energieeffizienz beim Neubau unterstützen.
Deutschland hat in den letzten 25 Jahren bereits 500 Milliarden Euro in Klimaneutralität investiert.
Es passiert schon viel in Richtung Klimaneutralität in Deutschland: 2021 haben die deutschen Unternehmen 55 Milliarden Euro in den Klimaschutz investiert. Das ist sehr gut, allerdings ist noch mehr erforderlich, um Klimaneutralität bis 2045 zu erreichen. Dazu müssen die Unternehmen rund 120 Milliarden Euro pro Jahr investieren. Ermutigend ist, dass deutsche Unternehmen im internationalen Vergleich bereits sehr energieeffizient sind. Nur 15 Prozent der Industrieunternehmen gehören zu den besonders energieintensiven Industriezweigen, die für 76 Prozent des industriellen Energieverbrauchs stehen. Mit einem Anteil von 22 Prozent ist der Anteil der Industrie an der Bruttowertschöpfung in Deutschland für ein entwickeltes Land sehr hoch. Trotzdem ist die Energieintensität in Deutschland ähnlich niedrig wie in Italien mit weit niedrigerem Industrieanteil.
Gleichwohl steigen die Energiepreise. Wie sollen Unternehmen diese Transformation schaffen und zugleich wettbewerbsfähig bleiben?
Durch den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine ist es zu einem massiven Angebotsschock beim Gas gekommen. Zuletzt sind die Gaspreise von den extremen Höhen wieder gefallen, wir erwarten allerdings, dass sie wohl über dem Vorkrisenniveau bleiben. Prognosen zeigen, dass die Großhandelspreise über 2025 hinaus immer noch doppelt so hoch sein könnten wie vor Kriegsbeginn. Zugleich wird der Strombedarf bis 2030 um bis zu 40 Prozent steigen.
Unternehmer und Unternehmerinnen investieren dann, wenn sie ein angemessenes Risiko-Rendite-Profil sehen.
Dr. Fritzi Köhler-Geib, Chefvolkswirtin der KfW
Die Ausweitung des Energieangebotes hat also höchste Priorität. Wichtige Elemente dabei sind kurzfristig der Ausbau von LNG-Terminals und Import von Flüssiggas und dann bis 2030 die Umsetzung der angestrebten Verdoppelung der Windkraftanlagen an Land sowie der Vervierfachung von Windenergie auf See und Photovoltaik. Zentral dafür ist die Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren. Zusätzlich wird es auch auf der Nachfrageseite weiterer Anstrengungen zum Beispiel bei Energieeffizienz bedürfen.
Was braucht es, damit die Unternehmen in diesem Umfeld überhaupt investieren?
Unternehmer und Unternehmerinnen investieren dann, wenn sie ein angemessenes Risiko-Rendite-Profil sehen. Risikokapital zur Förderung von Innovationen und technologischer Entwicklung ist ein Ansatz, man kann Unternehmen aber auch einen Teil der Unsicherheit über die Entwicklung des CO2-Preises abnehmen über Klimaschutzverträge. Auf der Renditeseite sind gezielte Abschreibungen grüner Investitionen ein Ansatz.
Aber jede Investition kostet erst einmal. Deutsche Unternehmen leiden unter der Inflation und steigenden Zinsen.
Ja, die hohe Inflation und die damit notwendige Straffung der Geldpolitik hat das Umfeld für Investitionen schwieriger gemacht. Anderseits ist natürlich auch der Anreiz für Unternehmen gestiegen, in die Klimaneutralität zu investieren. Rund zwei Drittel der Unternehmen geben als Grund für Klimaschutzinvestitionen die Senkung von Energiekosten an.
Also Investition und Innovation auf Unternehmerseite, Ausbau der erneuerbaren Energien auf Staatsseite. Mit welchen Fachkräften? Deutschland kämpft seit Jahren gegen den Fachkräftemangel.
Auch beim Ausbau der Erneuerbaren Energien spielt der Privatsektor eine zentrale Rolle. Die Herausforderung fehlender Fachkräfte ist so groß, dass mehrere Ansatzpunkte erforderlich sind. Wir brauchen einen stärkeren Fokus auf Fort- und Weiterbildung, eine höhere Arbeitsmarktbeteiligung von Frauen und verstärkte Zuwanderung von Fachkräften. Deutschland ist zwar von den Löhnen her wettbewerbsfähig, aber noch zu kompliziert. Wir brauchen Visaerleichterung, leichtere Anerkennung von Berufsabschlüssen und eine bessere Integration mit mehr Nachqualifizierung und Sprachförderung.
Frau Dr. Köhler-Geib, danke für das Gespräch. Das Interview führte der Journalist Bernd Ratmeyer.
Das Positionspapier „Ein Investitionsschub für die Transformation – was ist konkret nötig?" ist abrufbar unter kfw.de - kfw research.
Dr. Fritzi Köhler-Geib, Chefvolkswirtin der KfW:
Regionale Schwerpunkte ihrer wirtschaftspolitischen Beratungstätigkeit und volkswirtschaftlichen Forschung liegen in Deutschland, Europa, Lateinamerika, Asien und Afrika.