Das BVMW-Netzwerk für weibliches Unternehmertum
Nadja Zeschmann
Die Gründerin von Conscious Life im Interview für die Initiative „Starke Frauen – Starker Mittelstand“.
Wie sind Sie dazu gekommen, Unternehmerin zu werden?
Schon seit meiner Schulzeit fielen mir immer wieder Situationen zwischen Menschen auf, die mich irritierten und unzufrieden stimmten. Während meiner Zeit bei der Kneipp GmbH habe ich viele Team- und Konfliktdynamiken beobachtet und auch erfahren, wie wesentlich eine externe Beratung bei internen Verstrickungen ist. Es blieb mir ein Rätsel, wieso dies so selten erkannt und genutzt wurde. Ich habe mich immer mehr mit Kommunikation, Führung und dem konstruktiven Umgang mit Missverständnissen beschäftigt, was ich dann in meiner berufsbegleiteten Mediationsausbildung professionalisierte. Ich war immer wieder erstaunt, was durch eine Veränderung der Kommunikation plötzlich möglich war und wieviel Potenzial, Motivation und Lebensfreude nach einer Konfliktklärung frei wurden. Aufgrund meiner eigenen Sehnsucht heraus, entstand der Wunsch, aktiv den Wandel der Kommunikations- und Führungskultur in Unternehmen mitzugestalten und somit das Miteinander zu verändern.
Zufriedenheit ist für mich der Schlüssel zu einem gesunden, effektiven und nachhaltigen arbeiten und wirtschaften. So war der Weg in die Selbstständigkeit als freiberufliche Mediatorin und Trainerin mit einem Fokus auf Gruppen und Teams klar. Durch meine vielen mehrmonatigen Auslandsaufenthalte und die Freude an anderen Kulturen, kam noch eine Spezialisierung auf interkulturelle Kontexte hinzu.
Wenn Sie in der Zeit zurückgehen könnten, würden Sie denselben Weg nochmal gehen? Oder würden Sie etwas anders machen.
Ich würde es nochmals genauso machen und habe es in den letzten 9 Jahren nur 2 Tage bereut, an denen ich mich gerne mal krankgemeldet und trotzdem mein Gehalt bekommen hätte. Das ist eine ziemlich gute Bilanz! Manchmal dachte ich, dass ich mit 26 Jahren schon etwas naiv ins kalte Wasser gesprungen bin und mich hätte noch mehr informieren können. Doch wer weiß, ob ich dann den Schritt der Gründung gewagt hätte, wenn mir die komplette Tragweite und Verantwortung im Vorfeld bewusst gewesen wären. Mein Weg war es, meiner Intuition und der Freude im Herzen zu folgen und so auch das Vertrauen zu haben, dass ich auch die Herausforderungen meistern werde. Meiner Herzensstimme folge ich bis heute bei Entscheidungen recht kompromisslos und stelle fest, dass es eines meiner Erfolgskriterien ist.
Welche Entscheidung würden Sie für sich als Wegweisendste bezeichnen oder auch die, aus der Sie am meisten gelernt haben?
Hm, gute Frage. Es gab ein paar bedeutende Entscheidungen während meiner Selbstständigkeit, doch vermutlich war die Wegweisendste, dass ich mir letztes Jahr ein komplettes Jahr Auszeit erlaubt und ermöglicht habe. Einige haben gesagt „hast du es gut, dass du so unabhängig bist und das einfach entscheiden kannst.“ Andere wiederum meinten „willst du das wirklich riskieren? Und wie geht es dann danach beruflich weiter? Wie wirst du dich absichern?“
Ich habe beschlossen meinem Körper und Herzen zu vertrauen, dass es genau das Richtige für mich und meinen Weg sein wird und habe den Schritt ins Unbekannte gewagt. Ich wollte, dass sich etwas ändert und eingefahrene Routinen aufgebrochen werden. Gleichzeitig hatte ich das Gefühl, dass etwas Neues während dieser Zeit entstehen wird. So habe ich einige Kunden bewusst losgelassen und mit anderen habe ich unterschiedliche Absprachen getroffen. Es war nicht immer leicht, mein Vorhaben und meine Intention nachvollziehbar zu erklären, da ich keinen Jahresplan hatte, sondern mich vom Leben und meinem Herzen führen lassen wollte. Das tat ich und durfte unendlich viel lernen – von Menschen, Lebensweisen und der Natur. Ich habe wirklich gelebt, was ich lehre und viele Erfahrungsbeispiele und neue Ideen für meine Seminare gewonnen. Der Start nach meiner Auszeit war von Nichtwissen, Ungewissheit und auch Ängsten geprägt, doch im Umgang damit wurde ich ja ein Jahr lang geschult und so blieb ich im Vertrauen, dass sich neue Türen öffnen. Und so geschah es auch – neben neuen Anfragen entwickelte sich auch mein Angebot für Wüsten-Retreats. Meine Arbeit fühlt sich lebendiger und noch freudvoller als zuvor an.
Was war die größte Herausforderung, die Ihnen begegnet ist?
Vermutlich die Zeit während Corona, doch gar nicht unbedingt, dass alle Seminare plötzlich gestrichen wurden und ich kein Ausfallshonorar dafür erhalten habe. Sondern weil ich kurz davor einen Coworking-Space für Coaches, Mediatoren und Therapeuten gegründet hatte und hierfür plötzlich nicht genügend feste Mieter mehr gefunden habe. Keiner brauchte mehr Beratungsräume, da alles online stattfand und wenige waren bereit, sich für einen monatlichen Fixpreis zu committen. Dann war es dran, neu zu denken und ein neues kooperatives Konzept zu entwickeln, um Verantwortungen zu verteilen. Dafür gab es leider nicht die gehoffte Bereitschaft, sodass ich meinen Traum loslassen musste. Erst als ich als „Leitung“ ausgetreten bin, kam bei den Mitstreiterinnen etwas in Bewegung und sie waren bereit über neue Ansätze nachzudenken. Ich war raus und der Coworking-Space ging mit einem gemeinschaftlicheren Ansatz weiter. Es war einerseits schmerzhaft, dass für eine Verantwortungsübernahme mein Austreten notwendig war und andererseits war ich stolz und dankbar, dass mein Projekt weitergeführt wurde. Ich war wieder örtlich unabhängig und dankbar, was ich alles für meine Arbeit gelernt hatte: ich kenne Teamdynamiken und Verantwortungsdilemmata jetzt auch aus einer anderen Perspektive und habe ein tieferes Verständnis von den Herausforderungen bei Veränderungsprozessen.
Wodurch erfahren Sie besondere Wertschätzung für Ihre Arbeit?
Manche meiner Teilnehmer:innen kenne ich schon aus vorherigen Seminaren und spüre Ihre Freude, mich wiederzusehen und einen Seminartag mit mir zu verbringen. Das motiviert und bestärkt mich immer sehr! Und von diesen Menschen bekomme ich dann auch mit, wie die Inhalte und Erkenntnisse der letzten Seminare umgesetzt wurden und was sich dadurch verändert hat. Meist ist das Ergebnis eine größere innere Zufriedenheit und/oder Zufriedenheit, Motivation und Verantwortungsübernahme im Team.
Doch auch in der Kooperation und durch das Vertrauen meiner Auftraggeber:innen wird mir viel Wertschätzung geschenkt. Ihnen ist mein Blick und meine Einschätzung wichtig und ich erlebe eine große Offenheit meinen Vorschlägen gegenüber.
Welche Botschaft möchten Sie frisch gebackenen Unternehmerinnen oder Gründerinnen/Führungskräfte mitgeben?
Was mich am meisten bei anderen Frauen inspiriert, wenn ich erlebe, dass sie ihre Arbeit auf eine kraftvolle, authentische Art machen und das Herz dem Verstand die Richtung vorgibt. Dann leben sie ihre Berufung. Es geht für mich nicht darum, den einfachsten oder finanziell erfolgreichsten Weg zu wählen, sondern den, bei dem ich mir selbst treu bin. Das hat für mich Pat Rodegast wundervoll formuliert: „Wahre Intelligenz ist die Fähigkeit des Verstandes, die Weisheit des Herzens zu achten.“
Für mich führt das zu einem nachhaltigen Erfolg, der weder mich selbst noch andere ausbeutet.
Womit beschäftigen Sie sich derzeit besonders intensiv?
Wie Wandel an Schulen und in Unternehmen funktionieren kann und was dabei ausschlaggebend ist, um eine Bereitschaft für Veränderungsprozesse im Team zu erreichen. Und wie die Weite und Klarheit der Wüste im deutschen Alltag erlebbar werden kann. Was dadurch deutlich wird, ist die Essenz, um die es wirklich geht. Von dort aus können wunderbare Räume für co-kreative Transformationsprozesse gestaltet und neue Lösungsansätze entwickelt werden.
Mit welchen wesentlichen Maßnahmen fördern Sie in Ihrem Unternehmen gezielt Female Empowerment und geben Ihren Mitarbeiterinnen Rückenwind?
Ich arbeite viel mit Frauen in Führungspositionen (v. a. Schulleiterinnen) und ermutige sie, ihren Werten treu zu bleiben, Grenzen zu setzen und neue, kreative Wege auszuprobieren. Ich erlebe sie oft zweifelnder als ihre männlichen Kollegen, aber wenn Sie in ihrer Kraft sind, sehr motiviert, unkonventionell, umsetzungsstark und mutig. Das gibt mir immer wieder Hoffnung für die Zukunft unseres Bildungssystems und somit auch unseres Landes.
Von der Politik erwarte ich hinsichtlich einer stärkeren Unterstützung von Unternehmerinnen und der Entwicklung von Frauen in Unternehmen im Allgemeinen...
…dass Integrität, Intuition und regeneratives Handeln deutlich an Achtung gewinnt und belohnt werden.
Wie bereiten Sie sich auf einen wichtigen Termin vor?
Neben der kognitiven Vorbereitung, nehme ich mir bewusst Zeit, um mir das bestmögliche Treffen auszumalen. Wie müsste das Treffen verlaufen, damit in mir große Freude und Lebendigkeit entsteht, die dann zu Tatendran und Begeisterung bei der Umsetzung führt? Das ist für mich essenziell bei Entscheidungen und Kooperationen. Wenn ich darauf eine Antwort habe, hole ich mir wieder meinen Verstand zur Unterstützung, um die wichtigsten Voraussetzungen, Bedürfnisse und Werte klar zu formulieren. Was ist mir wichtig für das Gespräch? Was muss für mich angesprochen und geklärt werden? Und wo sind meine Grenzen, um authentisch und mir selbst treu zu bleiben?
Was wird ihr nächstes Projekt?
Mein neuestes Projekt, das gerade startet, sind Wüsten-Retreats im Sinai und in Marokko. Es ist eine Reise im Außen und Innen, durch unbekannte Landschaften, mit viel Ungewissheit, Stille und ohne große Ablenkung. Es geht um Selbstführung, Führung und Transformation.
Dieses Angebot möchte ich zukünftig auch für gesamte Teams und für spezifische Gruppen, wie z. B. Frauen in Führungspositionen öffnen.
Wer hat Sie am meisten inspiriert und warum?
Ich glaube vor irgendwelchen Menschen kommen tatsächlich Katzen. Sie sind eigenwillig, selbstbewusst, unabhängig, feinsinnig und hingebungsvoll. Sie besitzen einen enormen Fokus und große Ausdauer, wenn sie ein Ziel vor Augen haben. Gleichzeitig wissen sie es zu genießen und sich zu erholen ohne dabei ein schlechtes Gewissen zu haben. Es sind für mich absolute Lebenskünstler mit tiefer Weisheit.
Womit schaffen Sie in ihrer Freizeit einen Ausgleich zu Ihrem Arbeitsalltag?
In meiner Arbeit ist eine groß Präsenz beim Zuhören, Wahrnehmen und Formulieren gefragt. Mit hoher Konzentration bringe ich unterschiedliche Informationen zusammen, verbalisiere Unausgesprochenes und spanne einen roten Faden über einen längeren Zeitraum. Danach genieße ich es, wenn ich nichts mehr denken muss, einfach nur in den Himmel schaue, die Flugkünste der Mauersegler beobachte, meine Hände im Gemüsebeet in die Erde stecke oder zum freien Tanzen gehe und meinem Körper die Regie übergebe.
Nadja Zeschmann
Conscious Life
https://www.conscious-life.org