Carola Jungwirth

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Themen

Unternehmertum
09.11.2023

So klappt die familieninterne Unternehmensübergabe

Kommunikation sei der Schlüssel, weiß Carola Jungwirth, die als Beraterin, Coach und Rechtsanwältin solche Prozesse professionell begleitet.

Autorin: Almut Kaspar, Journalistin

Im Interview spricht sie über Familienmanagement und -verfassung und die beiden Systeme Familie und Unternehmen, die zielführend zusammengebracht werden müssen.

Mittelstand.: Was ist Ihre wichtigste Erfahrung aus Ihrer langjährigen Praxis als Nachfolgeberaterin für Familienunternehmen?

Carola Jungwirth: Dass es weniger um Paragrafen bei der Lösung familienunternehmerischer Prozesse geht, sondern um die Bereitschaft zu einer konstruktiven Kommunikation zwischen den Generationen. Kommunikation ist der Schlüssel für eine erfolgreiche Unternehmensnachfolge. Es dreht sich viel um persönliche Entscheidungen und Emotionen. Daher ist es wichtig, ein professionelles Setting für einen Nachfolgeprozess zu etablieren, in dem sowohl unternehmerische als auch private Belange ihren Raum bekommen.

Wie gehen Sie vor, damit in einem Familienunternehmen der Generationswechsel erfolgreich durchgeführt werden kann?

Das gemeinsame Erarbeiten einer Nachfolge-Strategie und eines Nachfolge-Zeitplans sind in der Regel der Schwerpunkt meiner Nachfolgeberatung. Es gibt sowohl auf der abgebenden als auch auf der nachfolgenden Seite ganz individuelle Fragestellungen, deren Klärung eher innerhalb der jeweiligen Generation erfolgt. So sollte die Senior-Generation sich Gedanken über ihre Altersversorgung gemacht haben. Ist sie bereits abgesichert, oder benötigt sie Einnahmen aus etwaigen Anteilsübertragungen? Erst dann kann im Nachfolgeprozess geklärt werden, wie und wann die Unternehmensanteile an die nachfolgende Generation übertragen werden. Diese hat sich wiederum spezifisch mit der Frage nach ihrer Eignung und Bereitschaft zur Nachfolge auseinanderzusetzen, bevor wir einen Nachfolgezeitplan erstellen können. Einen Nachfolgeprozess starte ich in der Regel mit Einzelgesprächen, bevor gemeinsam eine Nachfolge-Strategie erarbeitet wird.

Um was geht es in den Einzelgesprächen?

Für die abgebende Generation ist vor allem auch die Frage des Loslassens von größter Relevanz – etwas muss losgelassen werden, damit es übergeben werden kann. Im Fall der internen Unternehmensnachfolge geht es in der Regel um nicht weniger als das Loslassen des gesamten Lebenswerks. Es geht in meiner Beratung mit der abgebenden Generation daher viel darum, sich auf einen neuen Lebensabschnitt vorzubereiten.

Welche Fragen erörtern Sie mit der nachfolgenden Generation?

Passt die interne Unternehmensnachfolge in ihre persönliche Lebensplanung? Was ist ihre wahre Motivation, die Nachfolge anzutreten? Sind sie bereit und geeignet, um nachzufolgen? Gibt es Bedingungen, die für sie erfüllt sein sollten, um die Nachfolge anzutreten? Gemeinsam mit beiden Generationen geht es in meiner Beratung auch um gegenseitige Wertschätzung. Das erarbeitete Lebenswerk der abgebenden Generation verdient es, gewürdigt zu werden. Gleiches gilt für die neuen Impulse und Ideen, welche die nachfolgende Generation mit eigenem Elan bereit ist, in das Unternehmen einzubringen.

Wie unterstützen Sie in diesem Prozess die Unternehmerfamilie, um ein zukunftssicherndes Familienmanagement zu etablieren?

Erst wenn gesichert ist, dass alle weiteren, nicht unmittelbar an der Nachfolge beteiligten Familienmitglieder – wie zum Beispiel nicht im Unternehmen tätige Geschwister oder Geschwister ohne Gesellschafterstatus – die geplante interne Nachfolge befürworten, kann der Generationswechsel auch nachhaltig gelingen. Ein Geschwisterkind, das sich bei der Nachfolge übergangen fühlt, kann im späteren Verlauf die Ursache für Konflikte sein und eine erfolgreiche Firmenfortführung nachhaltig stören oder gar gefährden.

Sie plädieren für die Erstellung einer Familienverfassung.

Richtig. Mit diesem formlosen Regelwerk gibt sich eine Unternehmerfamilie einen eigenen Leitfaden, in dem sie ihre Werte, Visionen, Ziele und auch ihr Konfliktmanagement definiert. Das Erstellen einer Familienverfassung erlebe ich immer wieder als ein die Unternehmerfamilie extrem stärkendes Erlebnis. Das gemeinsam erarbeitete Verständnis ist wiederum Rückhalt und Sicherheit für die im Unternehmen tätigen Familienmitglieder.

Als größte Herausforderung im innerfamiliären Nachfolgeprozess haben Sie die Gemengelage von familiären und unternehmerischen Interessen ausgemacht. Was meinen Sie damit?

Betrachten wir Familie und Unternehmen als zwei Systeme, dann sind beides Systeme, die unterschiedliche Interessen verfolgen und auch nach unterschiedlichen „Spielregeln“ funktionieren. In dem System „Familie“ geht es um Liebe und Geborgenheit, die zum Beispiel durch Gleichbehandlung der Kinder erzeugt wird. Das System „Unternehmen“ verfolgt andere Interessen. Hier geht es um ökonomischen Erfolg, der nicht durch Gleichbehandlung, sondern durch Leistung und Eignung erreicht wird. Da ist es nicht einfach, die Systeme und ihre Eigenarten stets voneinander zu trennen.

Haben Sie dafür ein Beispiel?

Stellen Sie sich vor, Sie sind ein unternehmerisches Elternpaar und haben zwei Kinder. Beide Kinder haben auch Lust und Bereitschaft zur Nachfolge signalisiert. Ihnen ist klar, dass ein Kind aufgrund seiner Persönlichkeit und seiner Ausbildung deutlich geeigneter ist als das andere. Als Eltern möchten Sie aber ihre Kinder gleichbehandeln. Um den Familienfrieden zu wahren, entscheiden sie sich daher, die Nachfolge mit einer Doppelspitze zu regeln – aus professioneller Sicht nicht unbedingt die beste Lösung fürs Unternehmen.

Wie findet eine Unternehmerfamilie den richtigen Zeitpunkt für die familieninterne Nachfolge?

Der richtige Zeitpunkt ist jetzt. Man kann kaum zu früh anfangen, aber leicht zu spät starten. Wenn im Nachfolgeprozess erste Konflikte auftreten, ist der beste Zeitpunkt bereits überschritten. Als grobe Orientierung empfehle ich, sich ab dem 55. Lebensjahr der aktuellen Unternehmensführung mit dem Thema zu beschäftigen. Das bedeutet nicht, dass die Nachfolge nach zwei weiteren Jahren vollendet sein soll. Es geht darum, ab diesem Zeitpunkt innerhalb der Familie bewusste Gespräche über Möglichkeiten einer internen Nachfolge und persönliche Zeitplanungen zu führen.

Das Interview führte die Journalistin Almut Kaspar

Carola Jungwirth, zertifizierte BVMW-Beraterin und Mitglied im BVMW-Expertenkreis Unternehmensnachfolge, war nach einer mehrjährigen Tätigkeit als Justiziarin in einem Großkonzern bis 2019 auch als Geschäftsführerin im eigenen Familienunternehmen in 3. Generation tätig. Vor knapp zehn Jahren hat sich die Hamburger Juristin selbstständig gemacht und berät seitdem Familienunternehmen und Unternehmerfamilien bei familieninternen Nachfolgeprozessen.

Gut zu wissen

  • Nach einer Umfrage des Instituts für Mittelstandsforschung wünschen sich immer noch über 50 Prozent der Familienunternehmen eine interne Nachfolge
  • Sieben von zehn Familienunternehmen gelingt der Wechsel in die 2. Generation, nur zwei von zehn bestehen noch in der 3. Generation, und nur noch eines von zehn wird von einem Familienmitglied in der 4. Generation geführt
  • Weitere Informationen zu Carola Jungwirth und ihrer Arbeit: www.jungwirth-nachfolgeberatung.de

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