Der BVMW zeigt im FAZ-Special „Unternehmergeist 2025“ Wege für den Mittelstand der Zukunft auf.
Absprachen für eine gute Sache können nicht falsch sein, möchte man meinen. Doch die Regeln des Kartellrechts machen es Unternehmen nicht ganz so leicht.
Auch Kooperationen rund um das Thema Nachhaltigkeit können wettbewerbswidrig sein. Die EU-Kommission will dies nun teilweise ändern.
Der Trend zur Green Economy und das steigende Bewusstsein von Verbrauchern für Nachhaltigkeit setzen Unternehmen unter Zugzwang: Produkte und Dienstleistungen sollen möglichst grün sein. Doch umweltfreundliche und sozial verträgliche Produktion ist oft mit höheren Kosten verbunden. Zieht die Konkurrenz nicht mit, gerät der eigentlich kluge Schachzug Richtung ESG (environment, social, governance) im Wettbewerb leicht zum Nachteil. In der Praxis stimmen sich Unternehmen daher immer wieder über Nachhaltigkeitskriterien ab. So geschehen etwa bei der Initiative Tierwohl, in deren Rahmen sich Betriebe auf bessere Haltungsbedingungen in der Rindermast einigten und dies gemeinsam vermarkten. In gleicher Weise sorgt die Branchenvereinbarung Milch des QM-Milch e. V. für mehr Tierwohl in der Milcherzeugung.
Kartellrechtlich sind solche Kooperationen allerdings nicht unproblematisch. Durch Absprachen können die beteiligten Unternehmen gegen Wettbewerbsrecht verstoßen, selbst wenn sie einen guten Zweck verfolgen. Denn die einheitliche Verwendung eines grünen Labels kann ebenso ein Wettbewerbsfaktor sein wie der Preis eines Produkts. Das Bundeskartellamt geht Hinweisen über abgestimmte Verhaltensweisen zu grünen Kriterien daher nach, bietet Unternehmen aber gleichzeitig an, solche Initiativen vorab zu prüfen. Die Initiative Tierwohl hat das Amt ebenso unbeanstandet gelassen wie die Kriterien des QM+-Programms. Uneingeschränkt grünes Licht bedeutet dies indessen nicht. Die Behörde erklärte zwar, die Vereinbarung über einen für alle Teilnehmer verbindlichen Tierwohlpreisaufschlag im Rahmen seines Aufgreif-Ermessens zu tolerieren, behielt sich aber eine weitere Evaluierung vor. Echte Rechtssicherheit für die Unternehmen sieht anders aus.
Diese Rechtssicherheit könnte die Europäische Kommission bald den gemeinsam grün denkenden Unternehmen bringen. Mit der Überarbeitung ihrer Horizontal-Leitlinien will die Kommission im Rahmen ihres Green Deal bestimmte Formen der Zusammenarbeit, mit denen Nachhaltigkeitsziele erreicht werden sollen, grundsätzlich als nicht mehr wettbewerbswidrig werten.
Bislang sieht es noch anders aus. Kartellrechtlich besteht bei Umwelt- und Nachhaltigkeitsinitiativen ein erhebliches Risiko, dass sie EU-rechtlich als unzulässige Vereinbarungen anzusehen sind. So zählt nicht allein der ökologische Nutzen, es sind zumindest auch Effizienzgewinne für Verbraucher erforderlich, um eine unternehmensübergreifende Einigung auf bestimmte Öko-Standards zu rechtfertigen. Fehlt es daran, gilt eine Verhaltensabstimmung über die Einhaltung ökologischer Parameter genauso als Kartell wie jede andere abgestimmte Verhaltensweise zwischen Unternehmen über wettbewerbsrelevante Parameter.
Mit der Überarbeitung der Horizontal-Leitlinien soll nun Unternehmen klarer erläutert werden, wann sie mit Mitbewerbern zusammenarbeiten dürfen, um vor allem auch den ökologischen Wandel zu unterstützen. Konkret sehen die Kommissionvorschläge vor, dass Kooperationen, die nachweislich Nachhaltigkeitszielen etwa durch Energieeinsparung oder einer höheren Umweltverträglichkeit von Produkten dienen, nicht mehr als kartellrechtswidrig gewertet werden sollen, wenn sie transparent und für grundsätzlich jeden Wettbewerber zugänglich sind und zu keinem erheblichen Preisanstieg führen.
Setzt die Kommission ihre Vorschläge durch, heißt dies für Unternehmen, dass sie bei der kartellrechtlichen Einschätzung ihrer Kooperationsvorhaben nicht nur den Wettbewerb, sondern auch die Umwelt im Blick haben sollten. Steht nachweislich die Stärkung der Nachhaltigkeit im Zentrum einer Kooperation mit Wettbewerbern, kann das Vorhaben zulässig sein, obwohl es den Wettbewerb einschränkt. Bis es aber soweit ist, sollten Unternehmen ihr Augenmerk bei Absprachen mit Wettbewerbern über ökologische Parameter frühzeitig auf das Kartellrecht richten. Dabei können sie ihr Vorhaben freiwillig einer Prüfung durch die zuständige Kartellbehörde unterziehen, anstelle unfreiwillig in den Fokus des Bundeskartellamts oder der EU-Kommission zu geraten.