Der BVMW zeigt im FAZ-Special „Unternehmergeist 2025“ Wege für den Mittelstand der Zukunft auf.
Berenberg
Der wichtigste Faktor: Rechtzeitig damit anfangen und frühzeitig für klare Verhältnisse sorgen.
Der Nachwuchs soll irgendwann auf dem Chefsessel Platz nehmen? Damit der Übergang reibungslos abläuft, ist eine umsichtige Planung ratsam.
Familienunternehmen sollen in der Familie bleiben: Die meisten Geschäftsinhaber möchten ihr Unternehmen in die Hände eines Angehörigen legen, wenn sie sich zur Ruhe setzen. Das geht aus der im Februar 2024 erschienenen Studie „Nachfolge-Monitoring Mittelstand 2023“ der KfW hervor. Demnach favorisieren 57 Prozent der mittelständischen Unternehmer, die aktuell über ihre Nachfolge nachdenken, die Übergabe an ein Familienmitglied. Dieses Vorhaben ist jedoch immer schwieriger umzusetzen. Im Vergleich zur Vorjahresstudie zeigt sich laut KfW ein schwindendes Interesse möglicher Nachfolgekandidaten aus dem eigenen Familienkreis.
Die möglichen Gründe dafür sind vielfältig. Einer davon ist der demografische Wandel, der die potenziellen Nachfolgegenerationen schrumpfen lässt. Außerdem gibt es immer mehr alternative Karrierewege. Kinder treten nicht mehr automatisch in die Fußstapfen ihrer Eltern.
Dazu kommt, dass laut jüngsten Daten des KfW-Gründungmonitors die Zahl der Existenzgründungen in Deutschland wieder abgenommen hat. Das ist an sich kein ausschlaggebender Faktor. Zu denken gibt laut KfW aber die sehr geringe Zahl sogenannter derivativer Gründungen, die auf bereits bestehende Unternehmensstrukturen zurückgreifen. Im Jahr 2022beschritten nur 8 Prozent der Gründerinnen und Gründer den Weg einer Übernahme – insgesamt rund 44.000 und damit 5.000 weniger als im Vorjahr. Weitere 6 Prozent machten sich zumindest über eine tätige Beteiligung selbstständig. Im Jahr 2002 machten diese beiden Kategorien noch 40 Prozent des gesamten Gründungsgeschehens aus, 2015 waren es immerhin noch 25 Prozent.
Junge Menschen wollen Verantwortung übernehmen
So viel erstmal zu den schlechten Nachrichten, doch es gibt auch durchaus positive und ermutigende Signale. Diese finden sich zum Beispiel in der Studie mit dem Titel „Deutschlands nächste Unternehmergeneration“. In dieser hat die Stiftung Familienunternehmen die Einstellungen, Werte und Zukunftspläne der Next Gens untersucht, also der gegenwärtigen Nachfolgegeneration in deutschen Familienunternehmen.
Die Studie zeichnet das Bild junger Menschen, die sich eine aktive Rolle im Familienunternehmen gut vorstellen können. „Next Gens sind verantwortungsvoll, bürgerlich und individuell – es zeigt sich ein hoher Grad an ‚klassischer‘ familienunternehmerischer Prägung insbesondere im Hinblick auf Leistungsorientierung und unternehmerische Eigenverantwortung“, schreiben die Autoren. Die Tendenz, einen Verkauf in Betracht zu ziehen, sei zwar seit 2020 um 9 Prozentpunkte gestiegen. Sie liegt mit rund 23,2 Prozent aber nach wie vor auf einem niedrigen Niveau. „Unternehmerisches Handeln in unterschiedlichen Rollen im Familienunternehmen (wie Geschäftsführung oder Gesellschafter) oder außerhalb (eigene Gründung) stellt den klar bevorzugten Weg der Next Gen dar – wenn die Elterngeneration dies auch zulässt“, heißt es. Rund 70 Prozent der Next Gen könnten sich eine operative Führungsrolle vorstellen.
Auch wir beobachten in unserer täglichen Arbeit, dass die meisten jungen Leute Lust auf Verantwortung haben und das Familienunternehmen gerne weiterführen möchten. Klar haben manche auch kein Interesse – allerdings sind das nicht viele.
Übergang rechtzeitig vorbereiten
Damit der Nachwuchs die Erfolgsgeschichte des Unternehmens fortschreiben kann, muss der Übergang rechtzeitig und umsichtig vorbereitet werden. Die operative und finanzielle Nachfolge zu sichern, gehört zu den wichtigsten und gleichzeitig schwierigsten strategischen Herausforderungen eines Familienunternehmers. Allein daher empfiehlt es sich, den Prozess rechtzeitig anzustoßen. Denn es gibt meist keine Blaupause: Während ein Unternehmer bei vielen Entscheidungen auf seine Erfahrung zurückgreifen kann, beschäftigt er sich mit der Nachfolgethematik in der Regel nur einmal. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) empfiehlt daher, spätestens drei Jahre vor der gewünschten Übergabe mit den konkreten Planungen und der Nachfolgesuche zu beginnen.
Entscheidend bei der Nachfolgeplanung ist ein strukturierter Prozess, bei dem die Familienmitglieder in die Entscheidungsfindung eingebunden werden und diese nachvollziehen können. Die Unternehmerfamilie diskutiert zunächst über die gemeinsamen Werte und Ziele sowie über die Erwartungen der Mitgesellschafter und darüber, wie die Kinder die Zukunft des Unternehmens sehen. Ausgehend davon werden die jeweiligen Aufgaben sowie Verantwortlichkeiten bestimmt. Helfen kann dabei eine Familienstrategie inklusive einer Familiencharta, die neben den Werten, Zielen und Institutionen einer Unternehmerfamilie die verschiedenen Rollen in Familie und Unternehmen beschreibt und damit die oft so schwierige Trennung erleichtert. Weitere Faktoren, die im Rahmen der Nachfolgeplanung geklärt werden müssen, betreffen beispielsweise die Erbschaftsteuer und damit verbunden eine frühzeitige Liquiditätsvorsorge.
In jedem Fall kommt es darauf an, die Nachfolger rechtzeitig auf ihre Position vorzubereiten und entsprechende Kompetenzen zu vermitteln. Darüber hinaus sollte man als Unternehmer nicht einfach am letzten Arbeitstag die Bürotür schließen und gehen, sondern dem Nachfolger Unterstützung anbieten – gleichzeitig aber Verantwortung abgeben.
Keinesfalls mit der Nachfolgeplanung zu lange warten
Der größte Fehler bei der „Planung“ der Nachfolge besteht hingegen darin, die Familienmitglieder plötzlich vor vollendete Tatsachen zu stellen. Denn das kann falsche Hoffnungen nähren und zu herben Enttäuschungen führen. Außerdem steht der Nachfolger vor einer schwierigen Aufgabe, wenn die Übergabe von heute auf morgen geschieht.
Ein solches Vorgehen sehen wir jedoch zum Glück immer seltener. Natürlich gibt es Familien, die an der Nachfolgefrage zerbrechen. Das sind aber Einzelfälle. In der Regel läuft eine Firmenübergabe unserer Erfahrung nach sehr harmonisch ab. Und wenn es größere Unstimmigkeiten gibt, kann ein externer Mediator helfen. Er betrachtet das Thema ohne Emotionen und sucht eine für alle Beteiligten akzeptable Lösung.
Alternativen zur Übergabe innerhalb der Familie
Gibt es innerhalb der Familie niemanden, der das Geschäft übernehmen möchte, können die Inhaber auf einen externen Manager setzen – oder alternative Lösungen wie den Gang an die Börse beziehungsweise die Veräußerung an einen Private-Equity-Investor in Betracht ziehen.
Bei einem Börsenlisting kann die Eigentümerfamilie sich für eine Mehrheits- oder Minderheitsbeteiligung entscheiden. Behält sie die Mehrheit der Anteile, verfügt sie weiterhin über ein hohes Maß an Kontrolle und trifft die langfristigen strategischen Entscheidungen. Das Image als Familienunternehmen bleibt erhalten.
Wenn die Eigentümerfamilie hingegen die Mehrheit der Anteile abgibt, ist der Diversifizierungseffekt größer. Der Komplettausstieg lässt sich einfacher und schneller umsetzen.
Zwar nehmen bei beiden Modellen die Aktionäre in gewissem Umfang Einfluss auf Geschäftsentscheidungen und unter Umständen steigt der Druck, kurzfristige Ziele zu erreichen. Gleichzeitig lässt sich aber mit dem erzielten Kapital beispielsweise weiteres Wachstum finanzieren und das Familienvermögen diversifizieren, während die Firmenkultur grundsätzlich gewahrt werden kann.
Private Equity als Alternative zum Börsengang
Immer mehr Familienunternehmer können sich auch vorstellen, Private-Equity-Investoren ins Boot zu holen. Ähnlich wie bei einem Börsengang ist eine solche Beteiligung in gewissem Maße mit der Abgabe von Steuerungsmöglichkeiten aufseiten der ursprünglichen Inhaber verbunden. Zudem ist das Engagement des Investors von vornherein zeitlich begrenzt.
Zu den Vorteilen wiederum gehört neben der Möglichkeit, Kapital für weiteres Wachstum zu sichern und mithilfe der Private-Equity-Expertise eine Wertsteigerung des Unternehmens zu erzielen, die Flexibilität bei der Vertragsgestaltung – beispielsweise in Hinblick auf Rückbeteiligungen oder Exitstrategien.
Unabhängig davon, für welche Variante sich ein Unternehmer entscheidet: Wichtig ist es in jedem Fall, die Planungen rechtzeitig anzugehen und umsichtig vorzubereiten.
Die Autoren: Oliver Meinschien, Teamleiter Young Entrepreneurs im Wealth Management Hamburg und Standortleitung Berlin bei Berenberg, und Lisa Andexel, Relationship Manager Young Entrepreneurs im Wealth Management Hamburg