Yvonne Zwick

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Unternehmertum
14.07.2023

Yvonne Zwick

Die Vorsitzende von B.A.U.M. e.V. – Netzwerk für nachhaltiges Wirtschaften im Interview für die Initiative „Starke Frauen – Starker Mittelstand“.

Wie sind Sie dazu gekommen, Vorsitzende des B.A.U.M. e. V. zu werden?

Nach 16 Jahren in der Geschäftsstelle des Rates für Nachhaltige Entwicklung merkte ich, dass die Zeit gekommen war, zu gehen. Ich hatte die wirtschaftsbezogenen Aktivitäten dieses Beratungsgremiums der Bundesregierung seit 2004 entwickelt. Angefangen von nachhaltigem Konsum und Lebensstile über CSR, die Entwicklung des Deutschen Nachhaltigkeitskodex (DNK) auf Initiative von Investoren und Analysten und Sustainable Finance – ich hatte mich so sehr in die Unternehmenslogik hineingearbeitet, dass ich gar nicht mehr anders konnte, als unternehmerisch zu denken. Da war es ein logischer Schritt, zu einem Unternehmensverband zu gehen, der ebenso klar auf eine nachhaltige Entwicklung orientiert ist.

Wenn Sie in der Zeit zurückgehen könnten, würden Sie denselben Weg nochmal gehen? Oder würden Sie etwas anders machen?

Oh ja, ich würde ihn genau so nochmal gehen. Ich hatte dank befristeter Arbeitsverträge alle drei Jahre wieder die Möglichkeit, zu überlegen, ob mir die Arbeit noch etwas gibt und ich dem Nachhaltigkeitsrat noch etwas geben kann. Auch der Schritt zu B. A. U. M. fühlt sich richtig an.

Welche Entscheidung würden Sie für sich als die Wegweisendste bezeichnen oder auch die, aus der Sie am meisten gelernt haben?

Ganz sicher war es die, nicht für die Kirche zu arbeiten. Ich habe in meinem Studium der katholischen Theologie ungemein viel gelernt, insofern war auch das eine wichtige, wegweisende Entscheidung. Systemisches Denken, keine Angst vor langen und auf den ersten Blick sich verschließenden Texten, die Exegese und den Perspektivwechsel in extrem andere Positionen, Antizipation und prinzipiengeleitetes Handeln, das habe ich in dieser Zeit gelernt.

Womit beschäftigen Sie sich derzeit besonders intensiv? (Bspw. Digitalisierung etc.)

Die Arbeitsprozesse der European Reporting Financial Advisory Group (EFRAG) zur Ausarbeitung des europäischen KMU-Standards. Die Expert:innenarbeitsgruppe (EWG) KMU, in der ich mitarbeite, ist seit Dezember richtig aktiv. Die Erarbeitung des European Sustainability Reporting Standards (ESRS) für KMU nimmt Fahrt auf, ein Entwurf soll Ende April zur öffentlichen Kommentierung veröffentlicht werden. Auf der Hinterbühne werden zwei diskutiert: ein Reporting Standard für gelistete KMU (LSME ESRS), was dem Auftrag der EU-Kommission an die EFRAG entspricht, und ein zusätzlicher freiwilliger Standard für KMU (VSME ESRS). Der zweite Entwurf wurde nun vorläufig dank großen Gegenwinds und niederschmetternder Qualifizierung in der EFRAG-Community herunterpriorisiert, d. h. vom Tisch ist er nicht, aber Zeit gewonnen und die Aufmerksamkeit liegt wieder auf dem „großen“ KMU-Standard.

Meine Arbeitsthese ist: ein überzeugender KMU-Standard macht einen freiwilligen obsolet. Der DNK kann beide Bedarfe erfüllen und ist noch dazu in der größten Volkswirtschaft sowie in Griechenland etabliert. Ihn positioniere ich gerade gemeinsam mit anderen Akteur:innen auf EU-Ebene und bei der Bundesregierung.

Welche Botschaft möchten Sie anderen Unternehmerinnen mitgeben?

Anfangen, dranbleiben, weitermachen. Und bloß keine Angst vor Greenwashing-Vorwürfen entwickeln und nichts tun. Das meiste ist aufmerksamkeitsökonomisches Verhalten mit zugegeben sich real auswirkenden Reputationsrisiken. Die Unternehmerinnen und Unternehmer haben in der Hand, was sie wie wann kommunizieren. Wer aufrichtig beschreibt, dass und warum ein er oder sie etwas noch nicht offenlegen kann, hat nichts zu befürchten. Nachhaltige Wirtschaftsweisen zu entwickeln ist ein großer, sehr grundlegender Transformationsprozess. Wer glaubt, das geht auf Knopfdruck, geht nicht tief genug. Und wer nachhaltige Prozesse tief in der Geschäftspraxis verankert, hat auch wirtschaftlich Erfolg und sichert langfristige Zukunftsfähigkeit.

Was schätzen Sie am Verband Der Mittelstand. BVMW besonders?

Die Bandbreite der Mitgliedschaft und die Offenheit für Nachhaltigkeitsthemen. Der Expertenkreis Nachhaltigkeit bearbeitet Themen, die ich von außen betrachtet nie vermutet hätte, dass sie hier stattfinden können. Mein Eindruck ist, der BVMW spiegelt recht realistisch das Bild der deutschen Wirtschaft wider.

Gibt es noch ein Thema, das Ihnen am Herzen liegt und Sie gern einbringen möchten?

Ich wünsche mir, dass auch auf den großen Veranstaltungen des BVMW mehr über Nachhaltigkeit und die Chancen, die darin liegen, sich frühzeitig und konstruktiv mit den Themen zu befassen, gesprochen würde. Auf den großen Veranstaltungen überwiegt das Sprechen über Probleme und Herausforderungen. Wenn im Bewusstsein um die Schwierigkeiten mehr nach Lösungen gesucht und um sie gerungen würde, könnte der BVMW eine prägende Rolle als dynamischer Mittelstandsverband für eine offene Zukunft einnehmen.

Infos zur Person

Yvonne Zwick

Infos zum Unternehmen

B.A.U.M. e.V. – Netzwerk für nachhaltiges Wirtschaften
https://www.baumev.de
https://app.baumev.de – unsere Community, offen auch für Nichtmitglieder

  • Gründung: 1984 als Bundesdeutscher Arbeitskreis für Umweltbewusstes Management, 1987 als e.V. etabliert
  • Branche: Unternehmensverband, NGO
  • Firmensitz: Hamburg
  • Mitarbeitende: 19 Mitarbeiter:innen, 780 Mitglieder
  • Mitgliedschaft in BVMW-Gremien: Expertenkreis Nachhaltigkeit

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