Der BVMW zeigt im FAZ-Special „Unternehmergeist 2025“ Wege für den Mittelstand der Zukunft auf.
Der BVMW stattete kürzlich 420 Milchkühen in Büdingen einen Besuch ab. Eine Gruppe BVMW-Mitglieder war zu Gast bei Andrea Rahn-Farr, die im Rahmen von "Profession Unternehmerin" ihren traditionsreichen Familienbetrieb vorstellte. Wie muss man sich heutzutage einen modernen Milchviehbetrieb mit Landwirtschaft vorstellen? Kurz gesagt: voll digitalisiert – und das nicht erst seit Corona! Ein Paradebeispiel dafür ist die Rahn und Farr GbR in Büdingen. Andrea Rahn-Farr und ihr Mann Karsten betreiben im Ortsteil Rinderbügen einen landwirtschaftlichen Familienbetrieb mit ca. 400 Milchkühen und Jungtieraufzucht und bewirtschaften rd. 370 ha Nutzfläche, davon 220 ha Ackerland und 150 ha Grünland. Diese Wiesen, die bis zu fünfmal im Jahr geschnitten werden, dienen als Futter für die Kühe. Beste Bedingungen für die Milchkuhhaltung zum einen. Zum anderen die optimale Möglichkeit, auf dem eher flachgründigen Basaltverwitterungsboden durch den Anbau von Futter- und Konsumgetreide, wie Winterweizen, Wickroggen, Weidegras und Wintergerste sowie Silomais, Raps und Soja die Futterversorgung zu 90 % zu garantieren. Der Hof liegt auf einer Höhe von 300 m N.N.. In der Region fällt jährlich im Durchschnitt 700 mm Niederschlag bei einer durchschnittlichen Jahrestemperatur von 7,6° C. Die Rahn-Farrs betreiben zudem eine Biogasanlage (Regelenergie, 620 kW installierte Leistung) mit Wärmenutzung und sind damit ein Stück weit unabhängig von fossilen Ressourcen.
Netzwerken in der Landwirtschaft
Andrea Rahn-Farr ist Netzwerkerin durch und durch. Die Mitgliedschaft im BVMW ist ihr wichtig, weil der Verband branchenübergreifend aufgestellt ist. Ihr ist es ein Anliegen, dass Verbraucher Produkte und Prozesse verstehen lernen. Dabei möchte sie das Bedürfnis nach Transparenz erfüllen, zumal Lebensmittelerzeugung gerade wieder stärker in der Diskussion ist. Andrea Rahn-Farr, Jahrgang 1972 und Mutter von drei Kindern, ist Vorsitzende des Landesfachausschusses Ländlicher Raum der FDP Hessen, Mitglied des Bundesfachausschusses Landwirtschaft, Ernährung und Verbraucherschutz der FDP, Vorsitzende des Regionalbauernverbandes Wetterau/Frankfurt a. M. e. V., Mitglied der FDP-Fraktion in der Stadtverordnetenversammlung Büdingen und seit 2021 Mitglied der FDP-Fraktion im Kreistag des Wetteraukreises.
Landwirtin aus Leidenschaft
Sie und ihr Mann sind Hoferben und haben im Jahr 2000 ihre Betriebe zusammengelegt. Schon als Kind waren die Kühe im elterlichen Betrieb in Bad Soden-Salmünster ihre Leidenschaft. So war es auch wenig verwunderlich, dass sie nach dem Abitur Agrarwissenschaften studierte und Landwirtin wurde.
Das Team ist die wichtigste Ressource
Zum Team auf dem Preiserlenhof gehören sieben Vollzeit-Mitarbeiter, eine Teilzeit-Mitarbeiterin, ein Azubi und zwei Aushilfen auf 450-Euro-Basis in Arbeitsspitzen. „Wer nicht ausbildet, der braucht sich über Fachkräftemangel nicht zu beklagen“, sagt Andrea Rahn-Farr.
Cooler Kuhkomfort meets modernste Technik
Der Betrieb zeigt, dass Umwelt- und Tierschutz mit moderner Landwirtschaft gut vereinbar sind. Der Kuhkomfort und das Tierwohl stehen bei der Rahn und Farr GbR an erster Stelle. Jedes Tier ist einem Haltungsbereich zugeteilt, der zum jeweiligen Entwicklungszeitpunkt seinen Bedürfnissen entspricht. Neugeborene leben die ersten 14 Lebenstage in Pärchenhaltung im Iglu. Danach ziehen sie um in den Freilaufstall mit Außenklima. Gruppenhaltung ist selbstverständlich. Dank Milchautomaten können die Kälber zu jeder Zeit ihre individuelle Menge Milch saufen. Hochtragende Färsen und trockenstehende Kühe werden acht Wochen vor dem Kalben in „Mutterschutz“ auf Stroh gehalten. Die Kühe profitieren von modernen Berieselungsanlagen.
Sensoren überwachen Tiergesundheit
Moderne Sensortechnik erleichtert die tierindividuelle Überwachung. Jedes Kalb trägt einen Sender am Halsband, der mit dem Tränkeautomat gekoppelt ist. So lässt sich jederzeit überprüfen, ob das Tier ausreichend Milch aufnimmt. Mit zwölf Wochen nimmt ein Kalb bereits ausreichende Mengen an festem Futter auf und wird abgetränkt. Für die Jungviehgruppen gibt es einen ausgeklügelten Ernährungsplan. Mit 14 Monaten bekommen die Kühe ein Pedometer an den Vorderfuß gehängt, um deren Bewegung im Blick zu haben. Nach Brunst und Besamung dauert es neun Monate und neun Tage, bis die Kühe kalben. 95 % der Kühe kalben alleine. Pflege, Fütterung und Aufzucht orientieren sich am Optimum, das die Milchkuh für eine gute Gesundheit und eine hohe Milchleistung braucht. Durchschnittlich 35 Liter beträgt die Tagesleistung einer Kuh. Alle zwei Tage wird die Milch abgeholt, Abnehmer ist die Immergut Molkerei in Schlüchtern.
„In der Tierhaltung sind Sensoren und Vernetzung wichtig, um Tiergesundheit messbar zu machen. Unabhängig davon gibt es Vorgaben von Molkereien und Schlachtstätten sowie umfangreiche Dokumentationspflichten. Das Regelwerk ist gewaltig“, berichtet Andrea Rahn-Farr.
Knapp dreimal täglich werden die Kühe vollautomatisch gemolken. Die Kühe entscheiden selbst, wann es für sie Zeit zum Melken ist. Dann traben sie gemütlich in die Box mit dem Melkroboter und lassen sich in aller Seelenruhe abmelken. Die Melkroboter überprüfen vorab auch die Milchqualität. Sollte irgendetwas mit dem Euter nicht in Ordnung sein, löst der Roboter einen Euter-Gesundheitsalarm aus. Die Sensoren sind ein Frühwarnsystem und dienen dem Tierwohl. Wenn eine Kuh erkrankt, wird sie von der Herde separiert und vom Tierarzt untersucht. Dafür stehen im Stall zwei Extra-Boxen zur Verfügung.
Technik im Stall erleichtert Arbeit
Der Trend geht zu intelligenten Fütterungssystemen. Und GPS-gesteuerte Landmaschinen gehören ohnehin längst zum Alltag. Selbstredend, dass es sogenannte Agrar-Apps für das Smartphone oder Tablet gibt. Farm- oder Herdenmanagementsysteme sind für viele Betriebe Standard. Pflanzenschutz- oder Düngemittel werden ressourcen- und umweltschonend ausgebracht. Auch hier kommt Sensortechnik zur Messung von Klima-, Boden- und Pflanzendaten zum Einsatz. Je weniger Dünger oder Pflanzenschutzmittel gebraucht wird, weil es punktgenau appliziert wird, desto ressourcen- und klimaschonender könne gewirtschaftet werden. Wetter-Apps und Drohnen helfen, Bodenbearbeitungs- und Ernteverfahren zu optimieren.
Bauernhof als Klassenzimmer
Andrea Rahn-Farr ist mit ihrem Betrieb Teilnehmer beim "Bauernhof als Klassenzimmer" und führt gerne Besuchergruppen durch ihren Betrieb. Kinder, Jugendliche sowie Erwachsene können auf dem Hof Preiserle eine moderne Landwirtschaft kennenlernen. Ein Besuch lohnt sich unbedingt, denn man kommt aus dem Staunen nicht mehr heraus. Die Technik und die ausgeklügelte Digitalisierung beeindrucken genauso wie der Umgang mit den Kühen in jeder ihrer Lebensphasen. Andrea Rahn-Farr gibt gerne einen umfassenden Einblick zu den Themen „Agrarpolitik“, "Die Milchkuh" und "Landwirtschaft früher und heute". Es ist eine einmalige Gelegenheit, sich mit der ethischen und politischen Sicht auf die heutige moderne Landwirtschaft zu befassen", sagt die 50-jährige Landwirtin.
Firmeninfos
GbR Rahn/Farr
Preiserlenweg 6
63654 Büdingen
Telefon: 0171-7012580
info@rahn-farr-gbr.de
(Text Annette Windus, Redaktionsbüro Wortschatz)