Der BVMW zeigt im FAZ-Special „Unternehmergeist 2025“ Wege für den Mittelstand der Zukunft auf.
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Klare Antwort: JA! Diese eindeutige Antwort dürfte kaum jemanden in einer Geschäftsführungsfunktion oder mit unternehmerischer Verantwortung erstaunen geschweige denn überraschen.
Allein anhand der Statistik zur Unternehmensnachfolge in mittelständischen Familienunternehmen ist die unternehmerische Nachfolge zu großen Teilen ungelöst. 43 % von den rund 38.000 mittelständischen Unternehmen in Deutschland, die jährlich in den Kreis der Unternehmen mit Nachfolgebedarf eintreten, haben ihre Nachfolge nicht frühzeitig geregelt. Bis 2022 wurde bei etwa 29 % der Unternehmen vom Gesellschafterkreis der Entschluss getroffen, die Veräußerung des Unternehmens zu realisieren, also eine unternehmensexterne Nachfolge anzustreben. Unter Berücksichtigung einer sich über mehrere Jahre erstreckende ungelöste Nachfolgesituation in Deutschland, wird die Zahl der nicht geregelten Unternehmensnachfolgen noch weit größer.
Spätestens sobald diese Statistik ins Verhältnis zum Anteil an Geschäftsführinnen im deutschen Mittelstand (8,3 % in den 100 größten Familienbetrieben) und dem Anteil von Unternehmensgründerinnen von Start-Ups (17,7 % der Start-Ups im Jahr 2021) gesetzt wird, wird der enorm hohe Bedarf an Nachfolgerinnen deutlich. Was in diesem Zusammenhang allerdings nur wenigen bereits bewusst sein dürfte, ist das wirtschaftliche Risiko für deutsche Unternehmen, wenn sich diese Statistik nicht zu Gunsten einer ausgeprägteren Personenvielfalt auf Geschäftsführungs- bzw. Managementebene ändert.
In internationalen Metropolen, wie London, sind große Beratungsunternehmen bereits Mitte des letzten Jahrzehnts zu der Einschätzung gelangt, dass sie langfristig mit wirtschaftlichen Einbußen zu rechnen haben, wenn auf Partnerlevel bzw. oberster Führungsebene weiterhin nur eine Kollegin mit einem anderen kulturellen Hintergrund als „British-White“ arbeiten würde. Diese wirtschaftlichen Einbußen könnten sich in wenigen Jahren sowohl darin äußern, dass bestehende Mandate nicht mehr fortgeführt oder keine Einladung zu sogenannten Pitches für neue Mandate erhalten werden, da das Unternehmen offensichtlich die Werte einer internationalen und offenen Gesellschaft nicht widerspiegelt.
Neben den damals bereits existierenden Gehaltsvorteilen, die u.a. auf eine leichtere Vereinbarkeit von Job und Familie abzielen, wurden daraufhin auch Leadership-Programme aufgesetzt, die gleichberechtigt Mitarbeitende gezielt fördern und unterstützen. Hierbei wurde frühzeitig offen kommuniziert, dass insbesondere auch Mitarbeiterinnen ihre berufliche Entwicklung frei von gesellschaftlichen Zwängen verfolgen können. Diese Kombination aus Gehaltsvorteilen und Leadership-Programmen hat zudem das Potential für eine deutlich verbesserte Mitarbeiterbindung, die vor allem in Branchen mit recht hoher Fluktuation enorme Kosten einsparen kann.
Heute, rund sieben Jahre später, wird die Vielfalt der Mitarbeitenden auch in Führungspositionen nicht nur geschätzt, sondern in weiten Teilen auch gelebt. Währenddessen scheint die öffentliche Diskussion in Deutschland erst begonnen zu haben, ein Bewusstsein für die hohe Bedeutung von Nachfolgerinnen für Führungspositionen zu entwickeln.
Sollte sich die Entwicklung in Deutschland nicht beschleunigen dürfte der Druck zunächst auf Unternehmen steigen, die im internationalen Wettbewerb stehen. Sobald diese ihre Wettbewerbsfähigkeit auch in Sachen Mitarbeitervielfalt unter Beweis gestellt haben, dürfte dieses wirtschaftliche Risiko mit zeitlicher Verzögerung auch viele deutschen Unternehmen erfassen, die ausschließlich innerdeutsch agieren.
Zu hoffen ist, dass vor allem die Unternehmen des deutschen Mittelstands, die seit Jahrzehnten weltweit für ihre Effizienz, ihre Innovationskraft und ihr lösungsorientiertes Handeln geschätzt und hoch angesehen werden, auch bei der nächsten Beförderungsrunde bzw. Nachfolgeregelung effiziente und innovative Lösungen für Nachfolgerinnen schaffen, anstatt eventuelle Hindernisse zu unüberwindbaren Problemen zu erklären.